Übungen bei Polyneuropathie

Mit einfachen Übungen wieder mobil und sicher werden

Das möchte jede Polyneuropathie-Patientin und jeder Polyneuropathie-Patient: Ohne Furcht wieder rausgehen. Die richtigen Übungen bei Polyneuropathie um wieder sicher gehen und stehen finden Sie auf dieser Seite. Sie wollen  die eigene Lebensqualität steigern, die Symptome reduzieren, den Gleichgewichtssinn und die Leistungsfähigkeit im Alltag verbessern – und das alles soll ganz ohne Pillen und Medikamente mit wenigen, einfachen Übungen gehen? Sogar bei Ihnen zu Hause? Das geht. Mit dem Balance-Training – wie Sie in fünf kurzen Videos gleich sehen werden und sofort zu Hause, im Büro, überall nach- und mitmachen können.

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Warum die Übungen bei Polyneuropathie helfen

Um echte Erfolge zu erzielen muss man verstehen, warum ein Training wirkt. In diesem Video erfahren Sie alles darüber, wie Balance Training Ihnen helfen kann. Nachdem Sie dieses Video gesehen haben werden Sie besser verstehen, wie die Übungen aus den weiteren Videos funktionieren.

Warum Sie selbst üben müssen

Wir alle denken zunächst, dass man bei einer so komplizierten Sache wie Polyneuropathie Hilfe von Profis im Gesundheitswesen bekommen sollte, statt sich selbst darum zu kümmern. Das Problem bei der Polyneuropathie ist aber, dass es kaum Medikamente gibt, die helfen. Auch Physiotherapie ist bei Polyneuropathie zwar wichtig und hilfreich, allerdings reicht die Zeit einfach nicht aus um viel zu erreichen.

Denn selbst wenn sich Physiotherapeuten noch so viel Mühe geben, wird bei den wenigen Terminen, die man noch bekommt kaum genug Zeit bleiben um viel zu verändern. (Ich spreche hier aus eigener Erfahrung).

Jeder seriöse Therapeut wird deshalb bestätigen, dass man selbst üben muss, um etwas zu erreichen. Denn die Übungen sollen einen Trainingseffekt auslösen. Dieser kann aber nur entstehen, wenn man oft genug trainiert. Das muss nicht lange sein und auch nicht körperlich anstrengen. Wichtig ist vor allem, dass man das Nervensystem häufig genug trainiert! Und das geht nun mal nur, wenn man es selbst macht.

Über die Übungen, die ich hier vorstelle hinaus kann Ihnen Physiotherapie mit Vibrationstraining, Elektrotherapie und Massagen helfen. Diese drei physiotherapeutischen Methoden können auf ganz unterschiedliche Weise gegen die Schmerzen bei Polyneuropathie helfen. Gleichgewichtstraining ist allerdings das was Sie selbst am einfachsten zu Hause umsetzen können.

Immer auf Nummer Sicher gehen

Bevor Sie mit den Übungen bei Polyneuropathie loslegen: Bitte schauen Sie sich zuerst dieses Video an. Denn die meisten Polyneuropathie-PatientInnen fragen mich erschrocken: Bei meinem schwachen Gleichgewicht soll ich auch noch Übungen machen? Genau aus diesem Grund zeige ich Ihnen in diesem kurzen Video, wie Sie die Übungen mit doppelter und dreifacher Sicherheit ausführen. Damit auf keinen Fall irgendetwas passieren kann. Damit Sie stets sicher und gut geschützt Ihr Gleichgewicht verbessern.

Idealerweise stellen Sie sich bei den Übungen bei Polyneuropathie immer zwischen einen Tisch und einen Sessel. Falls Sie dann das Gleichgewicht verlieren können Sie sich am Tisch festhalten. Sollten Sie nach hinten stürzen fallen Sie so lediglich auf den Sessel. Sie minimieren dadurch also die Sturzgefahr. Alternativ können Sie sich in einen Türrahmen stellen und die Hände immer nahe am Rahmen halten, sodass Sie sich sofort festhalten können.

Es ist sehr wichtig, sich selbst nicht zu überschätzen und beim Üben keine Verletzungsgefahr einzugehen!

Sie haben Fragen?

Jede und jeder, die ernsthaft ihr Gleichgewicht verbessern wollen, haben früher oder später Fragen von „Mache ich das so richtig?“ über „Wie oft kann oder soll ich in meinem Zustand überhaupt üben?“ bis hin zu „Was kann ich darüber hinaus noch für mich tun?“ Diese Fragen beantworte ich regelmäßig ganz individuell und persönlich – damit meine Tipps und Trainingsprogramme auch wirklich auf Sie ganz persönlich passen. Maßgeschneidert. Ich begleite auf diese stark individuelle Art und Weise viele PNP-Patientinnen und -Patienten. Gerne auch Sie.

Holen Sie sich Ihre individuelle Beratung! Kontaktieren Sie mich unter Bitzer.Sporttherapie@gmail.com!

Wieder sicher stehen trotz Polyneuropathie

Das ist eines der wichtigsten Ziele überhaupt: Wieder sicher stehen können. In nur 2 Minuten pro Übung! Dafür findet jede und jeder die Zeit. Immer mal wieder. Je öfter Sie diese kleine Übung in den Alltag einbauen, desto schneller verbessert sich Ihr Gleichgewicht, Ihre Körperwahrnehmung und die Symptome. Dazu ist das Smartphone da: Rufen Sie immer mal wieder dieses Video ab.

Es ist wichtig, den Schwierigkeitstgrad der Übungen an Ihre Fähigkeiten anzupassen. Deshalb finden Sie in diesem Video Übungen mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden. Wenn eine Übung zu leicht wird wählen Sie einfach die nächstschwierigere.

Beispielübungen für das sichere Stehen trotz Polyneuropathie

Um das sichere Stehen zu üben können Sie ganz einfach beginnen:

Halten Sie sich z.B. an einem Tisch fest und setzen Sie die Füße direkt nebeneinander, so dass sie sich berühren. Wenn Sie sicher stehen lassen Sie den Tisch los.
Sollten Sie ohne zu wackeln so stehen können setzen Sie einfach einen Fuß etwas nach vorne, sodass sich die Fußspitze und Ferse berühren. Dadurch wird die Übung deutlich schwieriger und Ihre Nervensystem muss mehr leisten.

Wenn Ihnen auch dies leicht fällt können Sie als nächstes versuchen auf einem Bein zu stehen. Als zusätzliche Steigerungen bei allen Übungen ist es möglich, die Augen zu schließen. Dadurch fallen die Informationen weg die Ihre Augen liefern und Ihr Nervensystem ist darauf angewiesen, die Bewegungen anhand der Selbstwahrnehmung zu steuern. Die Signale, die die Nerven aus Ihrem Körper, zum Beispiel aus den Füßen senden müssen also verarbeitet werden, um das Gleichgewicht zu halten. Das Gehirn muss dazu lernen, trotz der Einschränkungen die die Polyneuropathie verursacht genau wahrzunehmen was in Ihren Beinen passiert. Deshalb verstärken solche Übungen den Trainingseffekt wesentlich.
Achten Sie bei Übungen mit geschlossenen Augen allerdings besonders darauf, die Sturzgefahr zu reduzieren!

Übungen für das sichere Gehen trotz Polyneuropathie

Egal ob zu Hause von Zimmer zu Zimmer oder draußen beim Spazierengehen, in der Fußgängerzone oder beim hastigen Gang übern Flur bei der Arbeit – sicheres Gehen ist das Wichtigste überhaupt. Mit diesem Video holen Sie ihn sich zurück: den sicheren Gang.

Auch hier gilt, dass man mit der einfachsten Variante beginnt und sich dann je nach Möglichkeit zu den schwierigeren Übungen vorarbeitet.

Beginnen Sie damit, einfach in Zeitlupe zu gehen. Je langsamer Sie gehen, desto länger müssen Sie auf einem Bein stehen. Dadurch trainieren Sie Ihr Gleichgewicht und die Gangsicherheit.

Wenn das gut funktioniert gehen Sie zum nächsten Schwierigkeitsgrad weiter: Heben Sie bei jedem Schritt das Knie an. Dadurch wird es etwas schwieriger das Gleichgewicht zu halten und Ihre Nerven müssen noch intensiver arbeiten.

Als weitere Steigerung können Sie versuchen, dieselbe Übung mit geschlossenen Augen zu machen, oder auf den Zehenspitzen zu gehen. Achten Sie allerdings immer darauf, kein Sturzrisiko einzugehen!

Eine weitere gute Übung für das Gehen bei Polyneuropathie ist es übrigens, möglichst große Schritte zu machen. Viele Patienten neigen dazu, ganz kurze Trippelschritte zu machen. Das ist allerdings eine sehr instabile Art des Gehens und außerdem anstrengender und langsamer als normales Gehen. Deshalb kann man die Schrittlänge trainieren. Suchen Sie sich eine Strecke in Ihrer Wohnung die Sie häufig zurücklegen müssen, beispielsweise den Flur. Zählen Sie nun, wie viele Schritte Sie dafür benötigen. Versuchen Sie in Zukunft möglichst große Schritte zu machen und die Strecke mit weniger Schritten zu schaffen. Diese Übung können Sie übrigens auch problemlos machen, wenn Sie aufgrund der Polyneuropathie nur noch am Rollator gehen können.

Alles was Sie für die Übungen bei Polyneuropathie brauchen

In den Videos kommt öfter das Balance-Pad und ein Übungsball vor. Sie haben diese Geräte nicht? Macht nichts. Ich schicke Ihnen ein Komplettset aus Ball und vollständiger Übungsanleitung – zusammen mit dem Bitzer-Pad. Denn das ist entscheidend: Viele Menschen trainieren mit herkömmlichen Pads und verletzen sich dabei. Weil diese Pads für Sportler gemacht sind und deshalb meist zu hoch, zu breit oder nicht rutschfest genug für PNP-Patientinnen und -Patienten sind. Holen Sie sich das komplette Balance-Set mit Ball und dem Bitzer-Pad, das eigens für PNP-Patientinnen und -Patienten entwickelt wurde.

Sicher stehen unter Ablenkung

Um im Alltag gut vor Stürzen geschützt zu sein muss man das Gleichgewicht auch unter Ablenkung halten können. Denn man stürzt im echten Leben nicht, solange man sich darauf konzentriert das Gleichgewicht zu halten. Man stürzt dann, wenn man gerade abgelenkt ist und die Aufmerksamkeit durch etwas anderes gefesselt ist.

Für die Alltagssicherheit muss das Gleichgewicht also quasi automatisch gehalten werden. Und das gelingt, indem man unter Ablenkung übt. Die beste Möglichkeit dazu ist, während man Gleichgewichtsübungen macht einen Ball zu werfen.

Auch hier kommt es natürlich darauf an, den richtigen Schwierigkeitsgrad zu wählen. Man kann damit beginnen, mit geschlossenen Beinen zu stehen und einen Ball von einer Hand in die andere zu legen. Wenn das zu einfach ist kann man mit dem Ball jonglieren oder ihn zum Beispiel gegen die Wand werfen und wieder fangen.

Üben mit guter Laune funktioniert besser

Übrigens gilt für alle Übungen, dass sie dann besser wirken wenn sie mehr Spaß machen. Deshalb ist es sehr sinnvoll, mit einem Trainingspartner gemeinsam zu üben. Das Training ist nämlich auf neurologischer Ebene nichts anderes als ein Lernprozess. Und wie immer beim Lernen funktioniert das besser wenn man dabei gute Laune hat. Gute Laune verbessert das Gedächtnis und das Lernen.

Wenn Sie an bestimmten Bewegungen besonderen Spaß haben ist es deshalb sinnvoll, diese öfter zu machen. Wenn Ihr Fitnesstand es zulässt ist es daher auch sinnvoll, Bewegungen in Ihr Polyneuropathie-Training einzubauen, die Sie aus anderen Sportarten kennen. Auch das Üben mit Kindern oder guten Freunden ist deshalb besser als das Training allein.

Üben Sie das sichere Gehen unter Ablenkung

Gehen unter Ablenkung kommt im ganz normalen Alltag ständig vor: Wir gehen von der Wohnung zur S-Bahn-Station, von der Seite ruft uns der nette Nachbar etwas zu – und wir drehen uns in der laufenden Gehbewegung zu ihm um, winken freundlich, rufen zurück und behalten immer sicher und fest unser Gleichgewicht. Das klingt völlig alltäglich, kann mit Polyneuropathie aber zum Kunststück werden. Allerdings lässt sich auch das üben.

Auch hier ist ein Ball ein hervorragendes Hilfsmittel. Eine hervorragende Übung ist, in Zeitlupe zu gehen, je langsamer desto besser, weil Sie dann umso länger das Gleichgewicht halten müssen. Nun nehmen Sie gleichzeitig den Ball zur Hand und geben ihn von einer in die andere Hand. Wenn das gut klappt können Sie ihn auch werfen.

Selbstverständlich können Sie den Ball auch einem Trainingspartner zuwerfen oder zum Beispiel prellen. Jede Form der Ablenkung hilft, die Übung intensiver zu machen und das Gehen trotz Polyneuropathie sicherer zu machen.

Auch bei dieser Übung ist es allerdings wichtig, immer etwas zum Festhalten in der Nähe zu haben. Beispielsweise können Sie an einem stabilen Tisch entlanggehen, an dem Sie sich bei Bedarf halten.

Übungen für die Hände bei Polyneuropathie

Um die Hände gezielter zu erreichen sind weitere Koordinationsübungen sinnvoll. Es kommt dabei wie bei allen bisherigen Übungen darauf an, das Körpergefühl, diesmal gezielt in den Händen zu trainieren. Es kommt, wie auch bei den bisher gezeigten Übungen nicht darauf an, sich sehr anzustrengen, sondern darauf, die Bewegungen möglichst kontrolliert auszuführen, um das Nervensystem anzuregen.

  1. Flasche/Stab balancieren
    Auch mit den Händen lässt sich so etwas wie Gleichgewichtstraining durchführen, das trotz der Polyneuropathie die Bewegungssteuerung und das Körpergefühl verbessert. Nehmen Sie dazu eine leere Plastikflasche, idealerweise 1,5 l. Stellen Sie diese auf die ausgestreckte Handfläche und balancieren Sie sie dort. Wenn Ihnen das zu einfach ist Stellen Sie die Flasche auf den Deckel.
    Wenn das Ihnen gut gelingt können Sie die Übung mit einer der Übungen für das sichere Stehen (siehe oben) verbinden.
  2. Finger einzeln beugen oder strecken
    Versuchen Sie, Ihre Finger abwechselnd einzeln zu beugen oder zu strecken. Beispielsweise nur den Zeigefinger oder nur den Ringfinger zu beugen oder zu strecken. Als Steigerung können Sie versuchen, zwei Finger gleichzeitig zu bewegen, zum Beispiel nur den Zeigefinger und den Ringfinger oder nur den Mittelfinger und den kleinen Finger, während die anderen Finger unbeweglich bleiben.
  3. Knöpfe öffnen und schließen
    Sehr viele Menschen mit Polyneuropathie berichten davon, dass Sie Probleme mit dem Öffnen und Schließen von Knöpfen bekommen. Deshalb ist es sinnvoll, genau das zu üben. Nehmen Sie dazu ein Hemd oder eine Bluse, an dem Sie die Knöpfe noch recht leicht öffnen und schließen können. Machen Sie die Knöpfe immer wieder auf und zu. Am besten Stellen Sie sich dazu ebenfalls in eine Position in der Sie zusätzlich das Gleichgewicht trainieren, also z.B. stellen Sie sich so hin dass die Füße sich berühren oder wenn Sie besonders fit sind auf ein Bein und beginnen dann die Knöpfe zu öffnen und zu schließen. Je häufiger Sie dies üben, desto länger werden Sie die Knöpfe noch auf und zu machen können, auch wenn sich die Polyneuropathie weiter verschlimmert.
  4. Schönschreiben. Dies ist eine Übung die insbesondere dann sinnvoll ist, wenn Sie an Polyneuropathie erkrankt sind, aber noch keine Probleme mit dem Schreiben haben. Versuchen Sie, besonders schön und präzise zu schreiben. Das wirkt auf den ersten Blick wie eine Selbstverständlichkeit und ist sicher keine spektakuläre Übung. Je besser Sie allerdings den Stift kontrollieren können, desto besser ist auch die Datenverarbeitung in Ihrem Gehirn, was gegen die Symptome der Polyneuropathie helfen kann (siehe unten). Außerdem werden Sie, sollte sich die Polyneuropathie verschlimmern nicht so bald Probleme mit dem Schreiben bekommen, wenn Sie bereits frühzeitig üben, schön und kontrolliert zu schreiben.

Darüber hinaus sind alle Tätigkeiten sinnvoll, bei denen Sie die Feinmotorik trainieren. Zum Beispiel Zeichnen, Handarbeit oder sogar Modellbau. Dadurch verbessert sich das Körpergefühl und die Bewegungskontrolle der Hände, sodass man die Verschlechterungen aufgrund der Polyneuropathie zumindest zum Teil ausgleichen kann. Selbstverständlich fallen solche Dinge schwerer und machen vielleicht auch weniger Freude wenn man aufgrund der Polyneuropathie in der Feinmotorik der Hände eingeschränkt ist. Dennoch ist es sehr wichtig, sie trotzdem zu üben. Das führt nicht nur dazu, dass man diese Dinge weiterhin besser kann. Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass eine solches Training auch gegen Schmerzen und Taubheitsgefühle der Hände helfen indem Sie die Signalverarbeitung im Gehirn verbessern, wie Sie im nächsten Absatz sehen werden.

Wie dieses Training gegen Polyneuropathie hilft

Um die Polyneuropathie zu verbessern muss man dafür sorgen, dass das Nervenystem besser funktioniert. Um das zu erreichen muss man dem Nervensystem Aufgaben stellen, die nicht ganz einfach zu lösen sind. Das Nervensystem reagiert dann mit einem Lernprozess. Es lernt insbesondere, Reize aus dem Körper besser zu verarbeiten und auch besser darauf zu reagieren.

Wenn Sie das Gleichgewicht trainieren, muss Ihr Nervensystem ständig wahrnehmen, wie sich Ihr Körper bewegt. Außerdem muss es immer wieder neu reagieren und kleinste Änderungen in der Spannung der einzelnen Muskeln in Ihrem Köper vornehmen. Es ist also nötig, den Körper sehr genau zu spüren und zu steuern, um das Gleichgewicht halten zu können.

Wenn Sie das Gleichgewicht trainieren, muss Ihr Nervensystem also eine beeindruckende Präzisionsarbeit erbringen. Und das umso mehr, wenn Sie an Polyneuropathie leiden. Denn dann machen die Nervenschäden die Arbeit natürlich schwieriger. Umso mehr profitieren Sie dann aber, wenn Sie trotzdem üben. Denn eine Verbesserung des Gleichgewichts bringt auch eine Verbesserung der Symptome der Polyneuropathie! (Hier können Sie eine Studie zum Thema nachlesen: Kleckner 2018)

Übungen und Symptome der Polyneuropathie

Polyneuropathie stört das zentrale Nervensystem!

Die Polyneuropathie stört die Wahrnehmung des Körpers, wie jeder der daran leidet aus eigener Erfahrung weiß.

Das kommt aber nicht nur davon, dass man Schäden zum Beispiel in den Füßen oder den Fingerstpitzen hat. Die Polyneuropathie wirkt sich vor allem auch im zentralen Nervensystem aus.

Die Nervenschäden in der Peripherie des Körpers führen dazu, dass das Gehirn die Signale, die aus dem Körper kommen nicht mehr richtig interpretieren kann. Das führt häufig zu Taubheitsgefühlen oder zu einem Verlust der Wahrnehmung. Eine Patientin erzählte mir zum Beispiel, sie sei in einen Nagel getreten und habe erst als sie Blut auf dem Boden gesehen habe bemerkt, dass sie sich verletzt hatte. Ihr Nervensystem war also nicht mehr in der Lage, ein Schmerzsignal ans Gehirn zu senden.

Schmerzen bei Polyneuropathie entstehen im Gehirn!

Sehr häufig reagiert das Nervensystem aber auch durch eine Überempfindlichkeit. Man kann sagen, es versucht "genauer hinzuhören". Es verstärkt also die Signale, die im Gehirn ankommen. Dadurch werden dann Dinge, die eigentlich normal sind als unangenehm oder schmerzhaft wahrgenommen. So erzählte mir eine weitere Patientin erzählte mir, dass das Tragen von normalen Socken ihr bereits Schmerzen bereitet und sie nur noch extrem weiche Socken tragen kann. Ihr Nervensystem reagiert also viel zu stark auf alltägliche Reize.

Viele Patienten kennen solche Probleme aus ihrem Alltag und haben häufig gewaltige Probleme dadurch.

Es ist wichtig zu verstehen, wo diese Probleme entstehen, um einen Ansatz zur Verbesserung zu haben. Um etwas gegen die Probleme tun zu können muss man also wissen:

Die Symptome der Polyneuropathie entstehen nicht nur in den Händen und Füßen, sondern auch im Gehirn!

Und das ist eine großartige Neuigkeit, denn das Gehirn ist das anpassungsfähigste Organ, das wir haben. Es kann also am besten trainiert werden.

Einen ausführlichen Artikel dazu finden Sie hier: Warum tut Polyneuropathie weh?

Das Nervensystem ist das anpassungsfähigste Organ!

Wenn Sie das Gleichgewicht trainieren, bewirkt das vor allem eine Anpassung des Gehirns. Es muss dann die ganze Zeit Signale aus dem gesamten Körper wahrnehmen, interpretieren und darauf reagieren. Je besser dieser Prozess funktioniert, desto besser können Sie das Gleichgewicht halten.

Wenn Sie die Übungen bei Polyneuropathie machen, die hier vorgestellt werden, verbessern Sie diesen Prozess. Ihr Nervensystem lernt dadurch, Reize besser zu verarbeiten und besser darauf zu reagieren.

Dadurch verbessert sich sowohl die Wahrnehmung als auch die Steuerung Ihres Körpers. Das heißt, Missempfindungen werden weniger und es gelingt Ihnen besser, Bewegungen zu steuern.

Wenn Sie es also schaffen, trotz der Polyneuropathie sicher auf einem Bein zu stehen, verbessern sich dadurch auch die Symptome der Polyneuropathie. Die Feinmotorik wird besser, man kann sicherer gehen und viele Patienten berichten von verringerten Schmerzen und Missempfindungen.

Mehr zur Selbsthilfe gegen Schmerzen bei Polyneuropathie finden Sie hier: Schmerzen bei Polyneuropathie und was Sie dagegen tun können.

Das Training bei Polyneuropathie muss nicht anstrengend sein!

Die Übungen bei Polyneuropathie lösen also eine Anpassung des Nervensystems aus. Das bedeutet, es kommt zu einem Lernprozess. Denn eine Anpassung des Nervensystems ist nichts anderes als Lernen. Deshalb müssen Sie sich bei den Übungen nicht verausgaben. Hier sollen keine Muskeln aufgebaut oder die Ausdauer trainiert werden. Es geht um Nerven.

Es ist sogar besser, sich nicht körperlich anzustrengen und stattdessen regelmäßig Pausen zu machen. Denn im frischen, ermüdungsfreien Zustand ist das Nervensystem am besten in der Lage zu lernen. Es ist ähnlich wie bei jedem anderen Lernprozess. Wie wenn man das Einmaleins oder englische Vokabeln lernen möchte: Es nutzt auf Dauer mehr, regelmäßig ein paar Minuten zu üben, als direkt vor der Klassenarbeit stundenlang zu pauken bis der Kopf raucht.

Deshalb empfehle ich das Balance Set bei Polyneuropathie, mit dem Sie zu Hause in Ihrem eigenen Rhythmus und mit dem zu Ihnen passenden Schwierigkeitsgrad üben können.

Sie können damit zu Hause trainieren, ohne Überforderung und jederzeit.

Wissenschaftliche Belege für Wirkungen der Übungen bei Polyneuropathie

Übrigens sind die Wirkungen, die ich hier beschreibe in wissenschaftlichen Studien beobachtet worden. Ich hatte selbst die Gelegenheit, in der Sportonkologie der Universitätsklinik Freiburg zum Thema zu forschen. Dort waren selbst die Sportwissenschaftler, die die Studien durchführten von den Wirkungen des Balance Trainings auf die Polyneuropathie überrascht.

Damals war Gleichgewichtstraining bei Polyneuropathie noch etwas mehr oder weniger exotisches. Inzwischen haben sich die positiven Effekte allerdings in zahlreichen Studien gezeigt. Balance Training wurde dementsprechend auch als Therapiemaßnahme in die Behandlungsleitlinien der Polyneuropathie nach Chemotherapie und durch Diabetes aufgenommen. (Nationale Versorgungsleitlinie Neuropathie bei Diabetes, S3-Leitlinie onkologische Therapie)

Wenn Sie wissenschaftliche Studien zum Thema Übungen bei Polyneuropathie interessieren, finden Sie hier einige ausgewählte Arbeiten:

Kneis et al. (2014)
Streckmann et al. (2018)

Vollmers et a. (2018)
Streckmann et al. (2014)
Tofthagen et al. (2014)
Kleckner et al. (2017)
Akbari et al. (2012)
Duregon et al. (2018)
Vollmers et al. (2018)

Zusätzliches Kraft- und Ausdauertraining ist bei Polyneuropathie sinnvoll!

Zusätzlich zu den hier gezeigten Übungen ist es sehr sinnvoll, Kraft- und Ausdauertraining zu betreiben.

In einigen Studien hat sich gezeitg, dass die Wirkung der Gleichgewichtsübungen verstärkt wird, wenn man zusätzlich Kraft und Ausdauer trainiert.

Das heißt, wer klassisches Fitnesstraining betreibt und zusätzlich das Nervensystem durch Gleichgewichtsübungen trainiert, erreicht einen kombinierten Effekt, der besonders stark ist.

Allerdings hat sich gezeigt, dass Kraft- und Ausdauertraining alleine, also ohne Gleichgewichtsübungen nur sehr geringe Effekte auf die Polyneuropathie hat. Es wird schließlich nicht das Nervensystem gezielt trainiert, sondern eher die Muskeln und das Herz-Kreislaufsystem. Es ist also am besten, beides zu machen: Gleichgewichtstraining und zusätzlich Kraft- und Ausdauertraining.

Verletzungen und Stürze verhindern!

Wichtig beim Sport mit Polyneuropathie ist sicherzustellen, dass man sich dabei nicht verletzt. Menschen, die an Polyneuropathie leiden haben eine schlechtere Bewegungskontrolle und deshalb eine größere Gefahr zu stürzen oder zu stolpern und sich dabei zu verletzen.

Sie sollten also beim Sport etwas vorsichtiger sein. Allerdings ist Sport immer mit einem gewissen Risiko verbunden und mit übertriebener Vorsicht macht Bewegung keinen Spaß, denn man will ja schließlich nicht dauernd an die Verletzungsgefahr denken. Deshalb sollten Sie besonderen Wert auf das Gleichgewichtstraining legen, denn es schützt vor Stürzen.

Es ist ja auch logisch: Wer sein Gleichgewicht schneller verliert, stürzt auch schneller. Wer ein gut trainiertes Gleichgewicht hat, stürzt seltener.

Gleichgewichtstraining schützt vor Stürzen

Sportverletzungen werden durch Gleichgewichtstraining seltener

Dies gilt übrigens nicht nur für Stürze, auch Sportverletzungen sind bei Menschen mit gut trainiertem Gleichgewicht seltener.

Das kommt daher, dass die verbesserte Wahrnehmung und die bessere Bewegungskontrolle verhindern, dass man in gefährliche Positionen kommt. Das heißt, Menschen mit einem gut trainierten Gleichgewicht spüren genauer, in welcher Position sich ihre Gelenke befinden. Wenn sie also spüren, das ein Gelenk sich in eine gefährliche Position bewegt, reagieren sie rechtzeitig. Dadurch verhindern sie, dass Gelenke verdreht oder überdehnt werden.

Wenn Sportler also zusätzlich zum normalen Training das Gleichgewicht trainieren, schützen sie sich dadurch vor Verletzungen, insbesondere am Sprunggelenk und Knie.

Das geschieht übrigens ganz automatisch und natürlich ohne darüber nachzudenken. Das besser trainierte Nervensystem schützt Sie also, ohne dass Sie sich zusätzlich anstrengen müssen.

Falls Sie trotz Polyneuropathie Sport treiben möchten ist es daher natürlich doppelt wichtig, Ihr Gleichgewicht zu trainieren!

Einen ausführlichen Artikel zur Verletzungsprophylaxe finden Sie hier: Nie mehr umknicken

Gleichgewichtstraining schützt vor Sportverletzungen

Die Fitness lässt sich trotz Polyneuropathie steigern - auch im hohen Alter

Übrigens ist ein Training auch für Menschen möglich, die an schwerer Polyneuropathie leiden und sehr alt sind. Der Körper profitiert dann sogar besonders vom Training.

Selbstverständlich wird man mit dem Alter und durch die Polyneuropathie körperlich schwächer. Wenn man allerdings nicht trainiert, kommt der Effekt der Inaktivität noch hinzu. Wenn Muskeln nichts mehr zu tun haben, werden sie abgebaut. Das gilt in jedem Alter und auch bei Gesunden. Denn was der Körper nicht nutzt, reduziert er um Energie zu sparen.

Wenn kranke und alte Menschen hingegen trotzdem trainieren, kommt es häufig zu großen Erfolgen.

Wichtig ist dabei, kleine Steigerungen in das Training einzubauen. Wenn Sie zum Beispiel heute 10 Kniebeugen schaffen, versuchen Sie in einer Woche 11 oder 12 zu schaffen. Eine solche kleine Steigerung ist in aller Regel möglich und wirkt zunächst recht unspektakulär. Diese kleinen Verbesserungen machen mit der Zeit aber einen riesigen Unterschied!

In der Grafik rechts können Sie die Entwicklung der Kniebeugenleistung eines meiner Patienten sehen, der konsequent nach diesem System trainierte. Er konnte noch im Alter von 91 Jahren seine Leistungsfähigkeit substanziell steigern. Und er ist damit keine Ausnahme. Ich sehe sehr häufig Patienten, die ihre Kraft so verbessern können.

 

Kraftsteigerung trotz Polyneuropathie

Meist sind die Muskeln der Unterschenkel zuerst betroffen

Bei den meisten Menschen, die von Polyneuropathie betroffen sind und deshalb unter Kraftverlust leiden beginnen diese Probleme in den Unterschenkeln. Wer die Muskeln dort aber gezielt trainiert kann den Kraftverlust dauerhaft zumindest bremsen und kurzfristig ist oft eine wesentliche Steigerung möglich.

Wir beginnen mit der leichtetsten Übung und dann folgen schwierigere Übungen, Sie können also eine Übung auswählen, die für Sie einen angemessenen Schwierigkeitsgrad hat. Anders als bei den Gleichgewichtsübungen sollte man sich bei den Kraftübungen allerdings schon ordentlich anstrengen wenn man einen Trainingseffekt - also mehr Kraft - erreichen will.

Sprunggelenk strecken mit dem Gummiband

Bei der ersten Übung legt man ein Gummiband über den Fußballen und drückt dann den Fuß nach vorne unten gegen den Widerstand des Bands. Sie können den Widerstand darüber steuern, wie lang oder kurz Sie das Band halten.
Diese Bewegung gelingt meist auch noch mit recht fortgeschrittener Polyneuropathie. Sollten Sie, auch wenn Sie das Band recht kurz nehmen, wesentlich mehr als 20 Wiederholungen davon schaffen, dann können Sie die nächstschwierigere Übung versuchen: Das Wadenheben.

Wadenheben

Stellen Sie sich aufrecht hin - Sie können sich auch gerne an etwas festhalten - und versuchen Sie, Ihren Körper mit der Kraft Ihrer Waden anzuheben bis Sie auf den Zehenspitzen stehen. Lassen Sie die Fersen jetzt wieder auf den Boden sinken und wiederholen Sie dieselbe Bewegung.

Wadenheben einbeinig

Um den Schwierigkeitsgrad zu steigern, also wenn Sie mehr als 20 Wiederholungen vom Wadenheben schaffen, dann machen Sie einfach die gleiche Bewegung auf einem Bein. Sie können sich dabei natürlich festhalten. Sollte die Übung auf einem Bein zu schwer sein und beidbeinig zu leicht, dann nehmen Sie einfach ein Gewicht in die Hand und machen Sie sie weiterhin beidbeinig.

Kraftsteigerung trotz Polyneuropathie
Kraftsteigerung trotz Polyneuropathie
Kraftsteigerung trotz Polyneuropathie
Kraftsteigerung trotz Polyneuropathie
Kraftsteigerung trotz Polyneuropathie
Kraftsteigerung trotz Polyneuropathie

Die wirksamste Kraftübung für die Hände bei Polyneuropathie

Um die Kraft der Hände trotz der Polyneuropathie zu erhalten gibt es eine sehr einfache Übung:

Nehmen Sie einen elastischen Ball zur Hand. Wenn Sie recht stark sind nehmen Sie einen Tennisball, wenn Sie weniger Kraft haben einen ähnlich großen weicheren Schaumstoffball. Drücken Sie den Ball einfach mit der Hand zusammen und lösen Sie den Griff wieder. Nehmen Sie sich je zwei Sekunden für das Zusammendrücken und zwei Sekunden für das Nachgeben Zeit. Wiederholen Sie diese Bewegung so oft bis Sie in der Hand und im Unterarm ein deutliches Anstrengungsgefühl spüren. Machen Sie diese Übung allerdings nicht zu häufig. Wenn Sie sich bei dieser Übung einmal sehr angestrengt haben, lassen Sie Ihren Händen dann 48 Stunden Ruhe und machen Sie diese Kraftübung erst nach dieser Erholungsphase erneut.

Diese Übung erlaubt es, trotz der Polyneuropathie zum Beispiel Wasserflaschen Marmeladengläser zu öffnen und all die alltäglichen Dinge zu tun, für die man Muskelkraft der Hände benötigt.

Durch Kraftübungen trotz Polyneuropathie mehr Muskelfasern erreichen

Das Nervensystem spielt eine entscheidende Rolle für die Muskelkraft. Jede Muskelfaser muss von einem Nervenende aktiviert werden, sonst kann sie auch keine Kraft entfalten.

Bei Polyneuropathie fehlen häufig die Nervenenden oder die Signale werden nicht mehr so gut übertragen. Deshalb haben Menschen, die an Polyneuropathie leiden häufig weniger Kraft.

Allerdings lässt sich auch das trainieren. Denn wer mit einem Krafttraining beginnt, löst zunächst ebenfalls einen Trainingseffekt im Nervensystem aus. Dabei ist es übrigens egal, ob man an Polyneuropathie leidet oder völlig gesund ist. Zunächst lernt der Körper, mehr Muskelfasern zum richtigen Zeitpunkt zu aktivieren, erst später beginnen die Muskeln zu wachsen. Deshalb ist es möglich, die Kraft zu steigern, ohne dickere Muskeln zu bekommen.

Wenn man mit einem Krafttraining beginnt passiert das quasi immer. Denn bevor der Körper Muskeln wachsen lässt, beginnt er erst einmal die Muskeln, die bereits vorhanden sind besser zu nutzen. Das heißt, wenn Sie anfangen, Gewichte zu stemmen wachsen neue Nervenenden in die Muskulatur. Nach einiger Zeit wird dieser Effekt allerdings schwächer und der Körper lässt stattdessen die Muskeln größer werden. Durch gezielte Trainingsmethoden lässt sich aber weiterhin ein Trainingseffekt auf die Nervenenden erzielen.

Dies machen sich seit langem Sportler zunutze, die zwar große Kraft brauchen, aber keine dicken und schweren Muskeln. Kletterer oder Sportler in Sportarten mit Gewichtsklassen zum Beispiel. Sie müssen leicht sein, aber trotzdem sehr stark.

Wenn Sie gerade erst beginnen, brauchen Sie sich allerdings um solche speziellen Trainingsmethoden noch keine Gedanken zu machen. Bereits ganz normale Kraftübungen reichen dann aus um das Nervensystem zu stimulieren.

Durch Gleichgewichtstraining steigt auch die Kraft

Übrigens erreichen Sie, zumindest zu einem gewissen Grad auch durch Gleichgewichtsübungen eine Verbesserung der Muskelkraft. Wer sein Gleichgewicht mit den Übungen bei Polyneuropathie aus meinem Büchlein trainiert, ist ebenfalls in der Lage, seine Muskelfasern besser zu aktivieren. Menschen, die das Gleichgewicht trainieren sind deshalb besser in der Lage, Ihre Kraft schnell und zielgerichtet zu mobilisieren.

Das ist der Grund, warum zum Beispiel Skispringer sehr viel Gleichgewichtstraining betreiben. Denn diese Übungen versetzen sie in die Lage, ihre Kraft sehr schnell aufbringen und dadurch etwas weiter springen zu können. Das Trainingsprinzip, das dabei angewendet wird ist also genau dasselbe wie bei den Übungen bei Polyneuropathie.

Natürlich sollten Sie als Polyneuropathiepatient nicht die gleichen Übungen wie Skispringer absolvieren. Aber das Trainingsprinzip wie gesagt ist das gleiche: Man trainiert das Nervensystem, nicht die Muskeln!

Körperliche Fitness gleicht die Einschränkungen durch Polyneuropathie aus

Das Ziel des Krafttrainings bei Polyneuropathie ist es aber natürlich nicht nur, stärker zu werden. Polyneuropathie-Patienten sind ja schließlich keine Leistungssportler.

Das Ziel der Kraftübungen ist es, ebenso wie bei den Gleichgewichtsübungen bei Polyneuropathie, die Schwächen an einer Stelle durch Stärken an anderer Stelle auszugleichen.

Wenn Sie zum Beispiel schwache Wadenmuskeln haben, werden Ihre Oberschenkel mehr Arbeit leisten müssen. Starke Arme können Ihnen im Alltag ebenfalls helfen, wenn die Beine nicht mehr so gut mitmachen. Deshalb ist es sehr wichtig, den ganzen Körper zu trainieren, statt nur einzelne Teile.

Helfen Dehnübungen bei Polyneuropathie?

Wenn man an Übungen für die Gesundheit denkt, fallen vielen Leuten zuerst Dehnübungen ein. Und das ist auch bei Polyneuropathie der Fall. Deshalb findet man wenn man das Internet nach Übungen gegen Polyneuropathie durchsucht auch sehr schnell Dehnübungen.

Kann Dehnen den Nerven bei Polyneuropathie helfen?

Natürlich ist die Frage, ob Dehnübungen denn bei Nervenschäden hilfreich sein können. Dehnung bedeutet ja eigentlich nur, eine Struktur in die Länge zu ziehen. Bei klassischen Dehnübungen, wie man Sie aus dem Sport kennt werden Muskeln und Sehnen in die Länge gezogen. Es gibt aber auch spezielle Dehnübungen für die Nerven. Das geschieht insbesondere dann, wenn während einer klassischen Dehnung, z.B. der Wade noch zusätzlich der Kopf bewegt wird. Denn da die Nerven einen zusammenhängenden Strang von den Enden der Gliedmaßen bis zum Gehirn bilden, werden sie durch die Kopfbewegung dann mitbewegt.
Das heißt, dass es durchaus möglich ist, mit Dehnübungen speziell die Nerven zu dehnen. Es ist allerdings fraglich, ob durch reinen Zug ein Heilungsprozess ausgelöst werden kann. Leider scheint es bisher so, als ob es für den Nerv selbst herzlich wenig nutzt, ihn zu dehnen.

Wirksamkeit von Dehnübungen auf die Nerven ist wissenschaftlich nicht belegt

Es gibt von wissenschaftlicher Seite keinen Nachweis, dass Dehnungen speziell für die Nerven bei Polyneuropathie etwas helfen könnten. Es gibt zwar Tierversuche, bei denen den armen Versuchstieren Gifte verabreicht wurden, die die Nerven schädigten und dadurch eine Polyneuropathie verursachten. Wenn die Nerven während dieser Prozedur gedehnt wurden, kam es tatsächlich zu einer weniger schlimmen Polyneuropathie (Zhu et al. 2018). Ob dies allerdings bei Menschen ebenfalls funktioniert, bei denen die Polyneuropathie ganz andere Ursachen hat, ist bisher nicht nachgewiesen worden.

Nach meiner Erfahrung wenig Wirkung auf die Nerven - aber auf die Muskeln

Ich habe in meiner eigenen Praxis solche spezielle Nervendehnungen mit einigen Patienten ausprobiert. Leider konnte ich dabei keine Verbesserung der Nervenfunktion feststellen. Dies ist natürlich kein belastbarer wissenschaftlicher Beweis, allerdings gibt es wie gesagt bisher auch von anderer Stelle keine Belege für eine Besserung der Polyneuropathie durch Dehnungen.

Allerdings gibt es noch einen positiven Effekt durch die Dehnübungen bei Polyneuropathie:
Dehnübungen können Muskelverhärtungen vorbeugen und mildern. Denn Sie reduzieren die Spannung in der Muskulatur.

Muskelverhärtungen sind bei Polyneuropathie sehr häufig

Muskelverhärtungen, insbesondere der Wadenmuskulatur sind ein sehr häufiges Problem, das ich bei Patienten mit Polyneuropathie beinahe ausnahmslos beobachte. Denn die Bewegungen funktionieren aufgrund der Nervenschäden nicht mehr so wie bei einem gesunden Menschen und das führt sehr sehr häufig dazu, dass sich die Muskeln verhärten.

Und diese Muskelverhärtungen können gleich auf mehrere Arten Probleme - zusätzlich zur Polyneuropathie - verursachen:

1. Verhärtete Muskeln sind schwächer als entspannte Muskeln

Ein verhärteter, verkrampfter Muskel kann natürlich nicht so gut arbeiten wie ein Muskel im Normalzustand. Wenn Sie also ohnehin durch die Polyneuropathie geschwächte Muskeln haben, dann verschlimmern Verhärtungen der Muskulatur diese Problematik zusätzlich.

2. Verhärtete Muskeln können gewaltige Schmerzen verursachen.

Die häufigsten Ursache von Schmerzen am Bewegungsaparat sind verhärtete Muskeln, das sogenannte Myofasziale Schmerzsyndrom. Das ist der Grund, warum zum Beispiel Massagen bei Schmerzen helfen können, denn dabei werden die verhärteten Muskeln gelöst, was die Schmerzen reduziert.

Wenn Sie aufgrund einer Polyneuropathie Schmerzen haben und zu dieser Problematik noch verhärtete Muskeln hinzukommen, verschlimmern sich dadurch auch die Schmerzen. Werden dann die Muskelverhärtungen gelöst, verbessern sich auch die Schmerzen. Ich hatte sogar schon Patienten mit Polyneuropathie, deren Schmerzen durch die Behandlung der Muskulatur vollständig verschwanden.

Allerdings "macht" jeder Muskel an verschiedenen Stellen Schmerzen. Diese empfinden meisten Menschen an den gleichen (oder zumindest ähnlichen) Stellen. Deshalb lässt sich vorhersagen, wo Schmerzen empfunden bei welcher Muskelverhärtung empfunden werden. Diese sind häufig an anderen Stellen, als wo der Muskel verhärtet ist. Auf den Abbildungen unten sehen Sie in rot, wo der Schmerz empfunden wird, die Stelle an der die Kreuze sind markiert, wo die Muskelverhärtung ist. Durch ausgiebiges Dehnen lassen sich solche Verhärtungen reduzieren und vorbeugen.

Wenn Sie an chronischen Schmerzen der Füße leiden lohnt es sich deshalb immer, die Muskeln zu dehnen und Verhärtungen zu lösen. Denn ob der Schmerz durch Nervenschäden und Polyneuropathie oder durch eine verkrampfte Muskulatur entsteht, ist praktisch nicht zu unterscheiden. In sehr vielen Fällen spielen beide Schmerzursachen zusammen. Ob eine Behandlung der Muskulatur die Schmerzen reduzieren kann weiß man also erst, nachdem man es ausprobiert hat. Meine Empfehlung für Menschen mit Polyneuropathie ist, grundsätzlich die Muskeln ausgiebig zu dehnen. Es ist dabei kaum mit negativen Nebenwirkungen zu rechnen, die Schmerzen können so aber oft reduziert oder zumindest einer Verschlimmerung vorgebeugt werden.

3. Verhärtete Muskeln können Nerven komprimieren

Es gibt einige Engstellen, an denen Muskeln und Nerven sich relativ engen Raum teilen. Wenn der Muskel sich verhärtet, verändert er seine Form dadurch, dass er dauernd verkürzt ist. Das heißt, er wird an bestimmten Stellen dicker.

Das kann dazu führen, dass der Muskel an den Engstellen auf den Nerv drückt und dadurch den ohnehin schon durch die Polyneuropathie geschädigten Nerv noch weiter in seiner Funktion beeinträchtigt.

Beispiele dafür sind die Halswirbelsäule und die Unterschenkel. Die Musculi Scaleni, und die Nerven, die die Finger versorgen, verlaufen an der Halswirbelsäule parallel. Wenn sich die Muskeln verhärten, können sie dadurch Probleme im ganzen Arm, bis in die Fingerspitzen auslösen. Das gleiche gilt für den Unterschenkel, wo der Musculus fibularis longus die Nerven, die die Zehen versorgen komprimieren kann.

Wenn eine solche Nervenkompression vorliegt, kann eine Behandlung der Muskeln beeindruckende Verbesserungen bewirken. Diese Möglichkeit wird bei Menschen mit Polyneuropathie häufig übersehen, da man alle Beschwerden auf die Polyneuropathie schiebt und keine zusätzlichen Ursachen in Betracht zieht.

In den folgenden Absätzen zeige ich Ihnen deshalb Übungen zur Dehnung der Muskeln der Füße und der Muskeln der Hände, um trotz der Polyneuropathie geschmeidige Muskeln zu behalten. Dehnübungen der Hände und Füße können dazu beitragen, die Muskeln zu entspannen und so die Schmerzen und Missempfindungen bei Polyneuropathie lindern.

Dehnübungen helfen auf Umwegen bei Polyneuropathie

All diesen Problemen können regelmäßige Dehnübungen vorbeugen. Man kann also sagen, dass Dehnübungen bei Polyneuropathie keinen direkten Effekt auf die Nerven haben, sie können aber quasi auf Umwegen einen positiven Effekt auf das Wohlbefinden haben.

Es ist daher also sinnvoll, bei Polyneuropathie Dehnübungen durchzuführen, auch wenn die Nerven selbst dadurch nicht geheilt werden. Es ist insbesondere sinnvoll, die Muskulatur der Waden und des Nackens ausgiebig zu dehnen.

Dabei sollte man darauf achten, lange genug zu dehnen. Denn kurze Dehnungen von nur ein paar Sekunden Dauer, wie man Sie häufig im Breitensport sieht reichen nicht aus um Verhärtungen der Muskeln zu reduzieren. Die Dehnung sollte mindestens eine Minute gehalten werden.

Dabei ist es nicht nötig, eine große Dehnspannung zu halten, die wehtut. Es ist besser, eine mittlere Spannung, die sich noch angenehm anfühlt für längere Zeit zu halten.

Dehnübungen für die Füße bei Polyneuropathie

In den folgenden Absätzen zeige ich Ihnen Übungen zur Dehnung der Muskeln der Füße, um trotz der Polyneuropathie geschmeidige Muskeln zu behalten. Weiter unten finden Sie Dehnübungen für die Hände die bei Polyneuropathie besonders sinnvoll und leicht umzusetzen sind.

Alle diese Dehnübungen können Sie im Grunde so häufig machen wie Sie möchten. Solange Sie moderat dehnen und nicht mit großer Kraft in die Dehnung gehen besteht kaum die Gefahr, sich zu überlasten.

Die einfachste Dehnnübung für die Waden bei Polyneuropathie

Eine sehr einfache Dehnübung für die Waden kann bei Schmerzen der Fußsohle und der Wade helfen:

Stellen Sie ein Bein auf die Kante eines Stuhls. Drücken Sie nun mit den Händen auf das Knie und schieben Sie dadurch die Ferse nach unten. Es entsteht eine Dehnung der Wade.

Falls Sie nicht gut stehen können setzen Sie sich stattdessen auf einen Stuhl, möglichst nahe der Stuhlkante. Strecken Sie jetzt ein Bein aus und ziehen Sie die Fußspitze nach oben, Richtung Kopf.

Nun lehnen Sie Ihren Oberkörper nach vorne, bis Sie in der Wade oder an der Rückseite des Knies eine Dehnspannung spüren. Halten Sie diese Position nun für eine Minute oder länger.

Da diese Übungen praktisch immer und überall gemacht werden können, kann man sie sehr häufig durchführen. Wenn Sie keine sehr starke und schmerzhafte Spannung anwenden besteht keine Gefahr, den Körper durch diese Dehnübung zu überlasten.

Dehnung bei Schmerzen der großen Zehe bei Polyneuropathie

Bei Schmerzen der großen Zehe ist es sinnvoll, die Muskeln zu dehnen die die große Zehe beugen. Dazu nehmen Sie die gleiche Ausgangsposition wie zur Dehnung der Wade ein und ziehen Sie die große Zehe nach oben bis Sie eine Dehnung in der Fußsohle oder in direkt oberhalb des Sprunggelenks spüren. Falls Sie große Schmerzen bei der Berührung der großen Zehe haben, seien Sie sehr vorsichtig und versuchen trotzdem die Dehnung durchzuführen.

Dehnung bei Schmerzen des Fußballens

Bei Schmerzen am Fußballen sollten Sie die Muskeln dehnen, die die Zehen außer der Großzehe beugen. Dazu nehmen Sie wieder die Position zur Dehnung der Wade ein und ziehen die Zehen nach oben bis Sie eine Dehnung in der Fußsohle oder im untersten Teil der Wade merken. Falls Ihre Zehen extrem Berührungsempfindlich sind, versuchen Sie die Dehnung trotzdem sehr vorsichtig durchzuführen.

Dehnungen bei Schmerzen der Hände bei Polyneuropathie

Wenn Sie die Muskeln der Unterarme dehnen kann es zu einer Verbesserung der Schmerzen der Hände trotz der Polyneuropathie kommen.

Es gibt zwei besonders einfache Übungen, die häufig hilfreich sind:

  1. Dehnung der Hand- und Finger- Beugemuskulatur
    Strecken Sie einen Arm vor sich auf Schulterhöhe aus. Dabei zeigt die Handfläche nach unten. Greifen Sie nun mit der anderen Hand die Finger des ausgestreckten Arms und ziehen Sie diese in Richtung Gesicht. Der Arm bleibt dabei ausgestreckt, das Handgelenk streckt sich und die Handfläche bewegt sich ebenfalls in Richtung Gesicht. Ziehen Sie so stark dass Sie ein Dehngefühl, aber keinen Schmerz im Unterarm spüren. Halten Sie diese Dehnung für 1-2 Minuten. Wenn Sie bestimmte Stellen gezielt dehnen möchten, ziehen Sie nur an einzelnen Fingern bis Sie die Dehnung spüren.
  2. Dehnung der Hand- und Finger- Streckmuskulatur
    Strecken Sie wieder einen Arm auf Schulterhöhe vor sich aus. Die Handfläche zeigt nach unten. Greifen Sie nun mit der anderen Hand die Finger und ziehen Sie sie nach unten und in Richtung Brust. Das Handgelenk beugt sich dabei, aber der Ellenbogen bleibt gestreckt. Es sollte ein Dehngefühl im Unterarm und am Handgelenk entstehen. Wenn Sie bestimmte Stellen des Unterarms gezielt dehnen möchten, ziehen Sie nur an einzelnen Fingern. Halten Sie die Dehnung für 1-2 Minuten. Das Dehngefühl sollte deutlich spürbar, aber nicht schmerzhaft sein.

Bei Schmerzen der Hände kann es sinnvoll sein, die Halsmuskeln zu dehnen

Missempfindungen und Schmerzen der Hände können übrigens außer durch die Polyneuropathie auch durch Muskelverspannnungen und Blockaden an der Halswirbelsäule und insbesondere der Verbindung der Halswirbelsäule mit den Rippen entstehen. Dort gibt es Engstellen, durch die die Nerven in die Hände verlaufen. Bei zu viel Muskelspannung oder Gelenkblockaden kann es zur Kompression dieser Nerven und in der Folge zu Schmerzen oder Kribbeln in den Händen kommen. Es ist deshalb grundsätzlich sinnvoll, die Halswirbelsäule von einem Osteopathen oder Orthopäden untersuchen zu lassen wenn man Missempfindungen an den Händen hat, auch wenn bereits eine Polyneuropathie diagnostiziert wurde.

Dehnübungen, die die Muskelspannung in der Halswirbelsäule reduzieren können deshalb so in manchen Fällen mit Symptomen an den Händen helfen. Häufig hilft dabei folgende Übung:

Setzen oder stellen Sie sich aufrecht hin. Greifen Sie nun mit der rechten Hand über den Kopf, legen Sie Ihre Handfläche so auf den Kopf, dass die Fingerspitzen von oben her das linke Ohr berühren. Ziehen Sie nun den Kopf  nach rechts. Gleichzeitig bewegen Sie die linke Schulter nach unten. Dadurch entsteht eine Dehnung der Muskeln, die seitlich an der Halswirbelsäule verlaufen. Sie können zusätzlich den Kopf etwas nach vorne oder hinten neigen, um unterschiedliche Muskelanteile zu dehnen.

Weitere Anleitungen zur Selbstbehandlung der Schmerzen bei Polyneuropathie finden Sie hier:

Massage kann die Wirkung auf die Muskeln verbessern

Wenn die Dehnungen allein nicht helfen um die Schmerzen zu reduzieren kann es hilfreich sein, die Muskeln zu massieren. Allein die Massage kann bereits gegen die Schmerzen helfen. Eine Anleitung dazu finden Sie im folgenden Video und auf der Seite "Massage bei Polyneuropathie"

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