Blutfluß-Training gegen das Raynaud-Syndrom
- 16. Februar 202124. Juli 2024
- von Christian Bitzer
Das Raynaud-Syndrom ist eine sehr frustrierende Erkrankung, da sie zu den Dingen gehört, bei denen die Medizin eigentlich nicht helfen kann. Ich selbst leide seit einigen Jahren an dem Problem. Der Rat der Ärzte nach aufwendigen, aber ergebnislosen Untersuchungen war: Kälte meiden. So weit war ich auch vorher schon. Was also tun?
Kurz Zusammengefaßt
Durch spezielles Training lässt sich die Durchblutung verbessern. Dabei werden Manschetten an Arme oder Beine gelegt, die den Blutfluss etwas bremsen. Dadurch werden die Blutgefäße trainiert und transportieren mehr Blut. Bei mir selbst verbesserte sich dadurch das Raynaud-Syndrom wesentlich.
Kann Training helfen, wenn es keine Medikamente gibt?
Als Sportwissenschaftler bin ich natürlich stets auf der Suche nach einer Trainingsmethode um gesundheitliche Probleme zu lösen. Denn wenn es keine Medikamente gibt, die helfen, muss man den Körper eben zur Selbsthilfe anregen. Tatsächlich fand ich, nachdem ich schon fast aufgegeben hatte, zufällig eine Methode, die meine Beschwerden wesentlich reduziert hat.
Beim Raynaud-Syndrom ist die Durchblutung in der Kälte gestört
Zunächst sei kurz erklärt, was beim Raynaud-Syndrom passiert. Es handelt sich um eine Überreaktion der Blutgefäße auf Kälte. Der natürliche Reflex des Körpers, wenn es kalt wird ist, das Blut und damit die Wärme im Körperinneren zu sammeln und die Extremitäten weniger zu durchbluten. Dadurch verliert man weniger Wärme über die Hände und Füße und erträgt mehr Kälte. Beim Raynaud-Syndrom ist diese gesunde Reaktion allerdings so ausgeprägt, dass sie Probleme macht. Es kommt dann quasi kein Blut mehr in den Fingern oder Zehen an.
Meine eigene Erfahrung mit dem Raynaud-Syndrom
Bei mir selbst war das an den Zehen so ausgeprägt, dass schon bei 10 Grad Außentemperatur trotz Socken und Schuhen die Zehen und der Fußballen so kalt wurden, als ob ich bei -20 Grad barfuß im Schnee ginge. Der Fuß tat bei jedem Schritt weh und ich konnte die Zehen nicht mehr bewegen. Auch an den Händen war das Problem so stark, dass ich im Winter kaum noch zur Arbeit im Freien fähig war, weil meine Finger kraftlos und schmerzhaft waren.
Gewöhnung an die Kälte brachte nichts
Mein erster, aber erfolgloser Ansatz war, den Körper darin zu trainieren, mehr Kälte zu ertragen. Kalte Duschen, Eisbaden und barfuß gehen im Schnee waren erste Versuche. Es schien allerdings, als ob sich alles an meinem Körper an die Kälte gewöhnte, außer meinen Händen und Füßen. Mein Körper konnte es problemlos ertragen in einem Teich zu baden, in dessen Eisdecke ich ein Loch geschlagen hatte, die Zehen und Finger fühlten sich aber an als ob sie absterben würden und ich musste das Eisbad deshalb abbrechen. Eine Veränderung der Durchblutungsstörungen kam dadurch nicht zustande. Auch Sauna-Besuche und Wechselduschen, die ja ebenfalls die Durchblutung verbessern sollen, halfen mir nicht.
Zufällig fand ich eine Methode, die half
Als ich schon glaubte, mich mit dem Raynaud-Syndrom eben abfinden zu müssen, begann ich mit einer neuen Trainingsmethode zu experimentieren, die auf den ersten Blick gar nichts mit Kälte zu tun hat: Dem Blutfluss-Restriktions-Training. Dabei werden Manschetten an Arme oder Beine gelegt, die den Blutfluss etwas bremsen. Dann werden sportliche Übungen gemacht. Die Manschetten sind aufblasbar und werden genau so stark aufgepumpt, wie nötig. Man möchte damit nicht eine Gliedmaße abschnüren, sondern lediglich moderaten Druck ausüben, den man problemlos tolerieren kann und der den Körper nur minimal belastet. Dadurch wird der Blutfluss nicht gestoppt, sondern lediglich etwas gebremst.
Sichere Trainingsmethode für die Rehabilitation
Dadurch, dass weniger Blut in die Muskeln kommt, wird ein besonders intensiver Trainingseffekt ausgelöst, auch wenn man nur moderat trainiert.
Für die Muskulatur simuliert dieses Training quasi ein extrem anstrengendes Training, auch wenn man nur ganz lockere Bewegungen macht. Denn Sauerstoff und Nährstoffe werden schnell verbraucht und kommen langsamer nach als sie verbraucht werden. So wie bei einem hochintensiven Training eben - obwohl man nur ganz leichte Übungen macht. Dadurch ist es zum Beispiel möglich, ein Muskelwachstum zu erzielen, selbst wenn man nur mit einem Fünftel der üblichen Gewichte trainiert.
Deshalb ist dieses Training auch besonders für Menschen geeignet, die nicht sehr belastbar sind. Denn auch mit sehr geringen mechanischen Belastungen lässt sich bereits ein Trainingseffekt erzeugen, der so groß ist, als ob man schwerste Gewichte gestemmt hätte. Deshalb ist das Training mit Blutfluß-Restriktion insbesondere auch für Senioren und nach Verletzungen geeignet.
Dieses Training ist wissenschaftlich erprobt und so sicher, dass es insbesondere in der Rehabilitation empfohlen wird (Behrent et al. 2020). Da ich die neue Methode meinen Patienten anbieten wollte, probierte ich dieses Training selbst aus. Ich trainierte also für etwa 8 Wochen meine Beine, während ich zum Training jeweils die Manschetten anlegte, um den Blutfluß zu reduzieren.
Plötzlich besserte sich das Raynaud-Syndrom
Ich bemerkte einen sehr guten Trainingseffekt, was meine Ausdauerkraft anging. Bei Wanderungen bis zu 10 Stunden und beim Joggen bekam ich erst deutlich später schwere Beine und der Muskelkater hielt sich in Grenzen.
Viel beeindruckender für mich war aber, dass das Raynaud-Syndrom sich verbesserte.
Im Dezember 2020 sprang ich kurz in einen Teich im Schwarzwald. Nach etwa 30 Sekunden musste ich das Wasser verlassen, weil mein linker Fuß so kalt wurde, dass ich Angst um meine Zehen bekam. Sechs Wochen später, im Januar 2021, nach ein paar Wochen Training mit Blutfluss-Restriktion, trat ich mit dem nackten Fuß ein Loch ins Eis der zugefrorenen Alster und stieg hinein. Überrascht stellte ich fest, dass meine Füße überhaupt keine Probleme machten. Die Finger wurden allerdings, wie immer empfindlich kalt und schmerzhaft. Klar – denn ich hatte ja nur meine Beine nach dem neuen System trainiert. In den Händen hatte sich deshalb nichts getan.
Natürlich setzte ich das Training fort und beobachtete weiterhin, ob die typischen Durchblutungsstörungen des Raynaud-Syndroms auftraten. Die Probleme verschwanden seither zwar nicht ganz, wurden aber doch wesentlich besser. Im Herbst und Winter des Vorjahres musste ich beispielsweise selbst zum Spazierengehen bei Plusgraden immer zwei paar Socken und Stiefel anziehen, um keine Probleme mit meinen Füßen zu bekommen. Im Januar 2021 hatte ich im Alltag überhaupt keine Probleme mehr und konnte bereits wieder ohne Einschränkung mit meinem Neffen Schlitten fahren.
Blutfluß-Restriktionstraining lässt die Blutgefäße wachsen
Für den Effekt, den ich hier beobachtete gibt es eine gute wissenschaftliche Erklärung:
Wenn man Sport treibt, verbrauchen die Muskeln mehr Sauerstoff und Nährstoffe, die über das Blut dorthin transportiert werden, wo sie gebraucht werden. Nach einem Ausdauertraining wachsen deshalb mehr der kleinsten Blutgefäße (Kapillaren) und die Funktion der Gefäßwände verbessert sich, sodass mehr Sauerstoff hindurch kann und das Blut besser fließt. Wenn der Blultfluß während des Trainings eingeschränkt ist, wird dieser Effekt noch verstärkt. Dann merkt der Körper, dass zu wenig Blut ankommt. Darauf reagiert er, indem er neue Blutgefäße wachsen lässt und die alten größer macht.
Das Training mit den Manschetten führt deshalb dazu, dass Wachstumsfaktoren ausgeschüttet werden, die dafür sorgen, dass mehr Kapillaren, also kleinste Blutgefäße sprießen. Insbesondere ein besonderes Eiweiß spielt dabei eine Rolle: VEGF (Vascular endothelial growth factor). Dieser Wachstumsfaktor führt zu mehr Wachstum von Blutgefäßen und einer besseren Durchblutung und wird beim Training mit Blutfluss-Restirktion in großen Mengen ausgeschüttet (Larkin et al. (2020)). Der Körper reagiert außerdem, indem er die Arterien größer macht. Christiansen et al. (2020) beobachteten nach sechs Wochen Training mit Blutfluss-Restriktion einen um 4% größeren Durchmesser der Oberschenkelarterie (sie bringt das Blut vom Körperzentrum ins Bein). Dickere Arterien können natürlich auch mehr Blut transportieren.
Training mit eingeschränktem Blutfluß verbessert die Durchblutung
Das heißt, durch die Einschränkung des Blutflusses während des Trainings, erreicht man eine Verbesserung der Durchblutung. Das heißt, im Normalzustand kann mehr Blut in die Hände oder Füße fließen.
Wenn die Durchblutung also nach dem Training besser ist, dann macht auch das Raynaud-Syndrom weniger Probleme. Denn es kommt, auch wenn sich die Arterien in der Kälte verkrampfen, immer noch mehr Blut an als vor dem Training. Dadurch werden auch die Symptome des Raynaud-Syndroms gelindert.
Probieren Sie es aus!
Nun ist die Verbesserung, die ich bei mir selbst beobachtet habe natürlich nicht unbedingt zu verallgemeinern. Es ist durchaus möglich, dass nicht jeder die gleichen Fortschritte bemerkt. Allerdings handelt es sich bei diesem Training um eine sehr sichere Methode. Wenn man die Methode richtig anwendet und vorher mit einem Experten bespricht, sind die Risiken nicht größer als bei ganz normaler Gymnastik.
Außerdem erreicht man, abgesehen von der besseren Durchblutung, eine deutliche Steigerung der Kraft und Fitness. Man kann also bei richtiger Anwendung mit zahlreichen positiven Nebenwirkungen rechnen.
Deshalb empfehle ich, das Training mit Blutfluss-Restriktion einfach einmal auszuprobieren.
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Christian Bitzer
M.A. Sportwissenschaft
Sporttherapeut (DVGS)
Inhaber von Bitzer Sporttherapie
Email: Bitzer.Sporttherapie@gmail.com