Ausdauertraining ist für annährend jeden Menschen mit gesundheitlichen Verbesserungen verbunden. Wenn Sie an Polyneuropathie leiden, ist es besonders wichtig, trotz der Krankheit körperlich aktiv zu bleiben. Denn Bewegungsmangel führt zu großen gesundheitlichen Risiken.
Man sollte also zumindest leichten Ausdauersport betreiben, um seine Gesundheit zu erhalten - auch trotz der Polyneuropathie. Außerdem scheint Ausdauertraining eine positive Wirkung auf die Polyneuropathie zu haben. Das ist besonders bei der diabetischen Polyneuropathie der Fall. Wenn man an Polyneuropathie leidet fällt das allerdings schwerer und ist mit Risiken verbunden.
In diesem Artikel erkläre ich deshalb, wie Sie trotz Polyneuropathie Ausdauertraining betreiben können und das Risiko für Stürze und Verletzungen dabei reduzieren. Außerdem beschreibe ich die positiven gesundheitlichen Wirkungen des Ausdauersports bei Polyneuropathie.
Ausdauertraining hilft etwas gegen die Nervenschäden bei Polyneuropathie
Das Ausdauertraining wirkt sich positiv auf die Polyneuropathie aus. Ähnlich wie das Gleichgewichtstraining und das Krafttraining führt Ausdauertraining zwar nicht zur Heilung der Polyneuropathie, kann jedoch ihren Verlauf positiv beeinflussen und die entstandenen Schäden in gewissem Maße ausgleichen.
Buch "Bewegung bei Polyneuropathie"
Alles zum Ausdauertraining bei Polyneuropathie, inklusive Trainingsplänen und Selbsttests sowie zahlreiche Übungen für das Gleichgewicht, sicheres Gehen und die Kraft speziell bei Polyneuropathie finden Sie in meinem Buch Bewegung bei Polyneuropathie. Ich würde mich sehr freuen wenn Sie ein Exemplar bestellen.
Bei Diabetischer Polyneuropathie ist die Wirkung am größten
Verschiedene Formen der Polyneuropathie wurden bereits daraufhin untersucht, ob Ausdauertraining einen schützenden Effekt auf die Nerven hat. Meist wurde in solchen Studien beobachtet, dass die Polyneuropathie bei Menschen, die Ausdauertraining betreiben, weniger schwer ist im Vergleich zu Inaktiven (wissenschaftliche Quellen dazu finden Sie hier: Kleckner et al. 2018; Streckmann et al. 2021). Diese positive Wirkung zeigt sich besonders deutlich bei Diabetikern, dort wurde sogar eine Verbesserung der Nervenleitgeschwindigkeit, also eine Erholung der geschädigten Nerven beobachtet, wenn regelmäßig trainiert wurde (Studien dazu finden Sie hier: Dixit et al. 2014; Gholami et al. 2018). Auch für all diejenigen, deren Polyneuropathie nicht durch Diabetes verursacht wurde, ist Ausdauersport aber dennoch sinnvoll, auch wenn die Effekte nicht ganz so groß sind wie bei diabetischer Polyneuropathie.
Ausdauersport hält uns gesund
Ausdauersport trägt nicht nur zur Gesundheit der Nerven bei, sondern bietet auch umfassende Vorteile für den gesamten Körper. Eine gut trainierte Ausdauer wirkt sich positiv auf zahlreiche Organe aus. Das Herz wird größer und leistungsfähiger, die Lunge kann effizienter Sauerstoff aufnehmen. Durch Ausdauersport werden die Blutgefäße elastischer und funktionieren besser, was vor Herzkrankheiten, Schlaganfällen, Thrombosen und Lungenembolien schützt (Ruegsegger & Booth 2018). Außerdem verbessert sich die Funktion des Zucker- und Fettstoffwechsels, wodurch das Risiko von Diabetes und Fettstoffwechselstörungen reduziert wird.
Vielleicht denken Sie sich jetzt: "Wie soll ich Ausdauersport betreiben? Ich kann nicht einmal richtig laufen!" Es ist verständlich, dass Ausdauersport mit Polyneuropathie herausfordernder ist. Dennoch ist er in den meisten Fällen möglich, wenn man bestimmte Dinge beachtet.
Machen Sie eine Form des Ausdauersports, die sicher ist und Spaß macht
Es gibt nicht die eine "richtige" Ausdauersportart bei Polyneuropathie. Es ist weniger entscheidend, welche Art von Ausdauertraining genau Sie wählen, sondern vielmehr, dass Sie überhaupt aktiv werden. Zusätzlich ist es wichtig, dies in ausreichendem Maße zu tun und sich dabei angemessen anzustrengen. Die beiden entscheidenden Aspekte beim Ausdauersport sind, kein übermäßiges Verletzungsrisiko einzugehen und, dass Sie Freude daran haben und dadurch motiviert bleiben.
Es ist wenig hilfreich, sich zu einer Sportart zu zwingen, die Sie als gefährlich empfinden und das Risiko zu stürzen und sich zu verletzen einzugehen. Daher sollten Sie Sportarten wählen, die Ihnen ungefährlich erscheinen und Ihnen Spaß machen. Grundsätzlich gibt es keine Sportart, die bei Polyneuropathie "verboten" ist. Besonders, wenn Sie bereits Erfahrung mit einer bestimmten Sportart haben, spricht nichts dagegen, sie weiterhin auszuüben. Allerdings sollten in manchen Fällen Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden. Diese finden Sie weiter unten im Text.
Besonders geeignete Ausdauersportarten
Für Personen mit ausgeprägter Polyneuropathie und erheblichen Gehproblemen sind Bewegungsformen im Wasser besonders sinnvoll, da dort das Risiko von Stürzen gleich null ist. Schwimmen, Wassergymnastik oder Aquajogging sind gleichermaßen hervorragende Optionen. Die Wahl zwischen diesen Aktivitäten sollte hauptsächlich von Ihren persönlichen Vorlieben abhängen.
Einige Betroffene können aufgrund der Polyneuropathie allerdings nicht mehr schwimmen, insbesondere wenn die bisherigen Bewegungsmuster nicht mehr funktionieren. Um Risiken zu vermeiden, ist es ratsam, im flachen Wasser zu beginnen und idealerweise in Begleitung zu sein, wenn Sie schon längere Zeit nicht mehr geschwommen sind.
Stationäre Ausdauertrainingsgeräte sind ebenfalls sehr empfehlenswert und mit minimalem Verletzungsrisiko verbunden. Besonders gut geeignet sind Fahrrad-Hometrainer und Rudergeräte.
Wenn das Aufstehen bereits große Probleme bereitet, besteht die Möglichkeit, sogenannte Miniergometer zu verwenden. Diese Kästchen mit Kurbeln werden vor einen Stuhl auf den Boden gestellt, und die Kurbeln werden dann ähnlich wie beim Radfahren bewegt. Alternativ können sie auch vor sich auf einen Tisch gestellt werden, und die Kurbeln mit den Armen drehen.
Wie intensiv Sie trainieren sollten
Wie bereits erwähnt, ist beim Ausdauertraining weniger die genaue Bewegungsform entscheidend als vielmehr, dass es Ihnen Spaß macht. Zudem spielt die Dauer und Intensität des Trainings eine wichtige Rolle.
Die richtige Intensität, vereinfacht ausgedrückt der Grad der Anstrengung, lässt sich am einfachsten über die Atmung bestimmen. Sie sollten sich so anstrengen, dass Ihre Atemfrequenz deutlich erhöht ist, jedoch sollten Sie gerade noch in der Lage sein, ausschließlich durch die Nase zu atmen oder während der Aktivität zu sprechen.
Bei dieser Intensität erzielt man sehr gute Effekte und gleichzeitig besteht nur ein geringes Risiko für Überlastungen. Wenn Sie sicher sind, dass Ihr Herz-Kreislaufsystem gesund ist und Sie an Ausdauersport gewöhnt sind, können Sie sich auch intensiver anstrengen. Im Zweifelsfall ist es ratsam, zuerst mit Ihrem Arzt zu sprechen.
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Wie oft und wie lange man trainieren sollte
Die aktuellen Empfehlungen für ein auf die Gesundheit ausgerichtetes Ausdauertraining besagen, dass man mindestens 150 Minuten pro Woche in die Ausdauer investieren sollte. Das entspricht einer Gesamtdauer von mindestens 2,5 Stunden pro Woche. Wenn Sie sehr fit oder aktiv sind, kann dies leicht zu erreichen sein, und Sie können durchaus längere Trainingseinheiten in Betracht ziehen. Insbesondere wenn Sie sehr fit sind und bereits viel Erfahrung mit Ausdauersport haben könnte es sein, dass Sie gerne mehr als die empfohlenen 150 Minuten pro Woche trainieren. Das ist aus gesundheitlicher Sicht in der Regel unbedenklich, und bis zu etwa 10 Stunden Ausdauersport pro Woche sind mit zusätzlichen positiven gesundheitlichen Effekten verbunden.
Wenn Sie jedoch aufgrund der Polyneuropathie Schwierigkeiten haben sich überhaupt zu bewegen, könnten Ihnen die empfohlenen 2,5 Stunden möglicherweise als zu viel erscheinen. In einem solchen Fall sollten Sie versuchen, so viel Bewegung in Ihren Alltag zu integrieren, wie es Ihnen möglich ist. Selbst 10 Minuten sind besser als nichts! Schon das Verlassen des Hauses und das Gehen auf der Straße, möglicherweise mit einem Rollator, können einen guten Anfang darstellen.
Intervalltraining - wenn Sie wenig Zeit haben
Intervalltraining ist eine sinnvolle Alternative, besonders wenn Ihnen die Zeit für längere Trainingseinheiten fehlt. Dabei arbeiten Sie für kurze Zeit sehr intensiv und erholen sich anschließend für einen längeren Zeitraum bei geringerer Belastung.
Ein Beispiel wäre, eine Minute intensives Radfahren, gefolgt von vier Minuten langsamerem Tempo. Studien haben gezeigt, dass diese Art des Trainings einen ähnlich positiven Effekt auf die Leistungsfähigkeit des Herzkreislaufsystems und den Zuckerstoffwechsel hat wie stundenlanges herkömmliches Ausdauertraining (eine Übersichtsarbeit dazu finden Sie hier: Lindner et al. 2023). Es ist jedoch wichtig sicherzustellen, dass Ihr Herz-Kreislauf-System vor einer solchen Trainingseinheit gesund ist.
Trainingsfortschritte messen
Für viele Menschen ist es äußerst motivierend schwarz auf weiß zu sehen, ob man sich verbessert. Wenn auch Sie messen wollen, ob Sie leistungsfähiger werden, können Sie den 6-Minuten-Gehtest durchführen. Bitte nehmen Sie diese Aktivität jedoch nur in Angriff, wenn Sie sicher sind, dass Sie nicht stürzen und Ihr Herzkreislaufsystem gesund ist. Überfordern Sie sich außerdem nicht, sondern setzen Sie sich realistische Ziele.
Beim 6-Minuten Gehtest misst man die Strecke, die man in 6 Minuten gehend zurücklegen kann. Notieren Sie sich die geschaffte Strecke und wiederholen Sie den Test in größeren Abständen, z.B. einmal im Monat. Dies würde ich allerdings nur empfehlen, wenn die Polyneuropathie bei Ihnen noch nicht sehr ausgeprägt ist und Sie noch sehr sicher gehen können. Wenn Ihre Polyneuropathie so stark ist, dass die Gefahr zu stürzen besteht, sollten Sie darauf verzichten!
Stürze und Verletzungen beim Ausdauersport verhindern
Die größte Gefahr für Menschen mit Polyneuropathie beim Ausdauertraining ist zu stürzen. Die beste Methode um dies zu verhindern ist Balancetraining. Übungen dazu finden Sie in meinem Artikel "Übungen bei Polyneuropathie" und im Buch "Bewegung bei Polyneuropathie". Die Gefahr zu stürzen sinkt dadurch wesentlich (Eine Studie dazu finden Sie hier: Zhou et al. 2018).
Auch Krafttraining kann dabei helfen, die Sturzgefahr zu reduzieren. Einen ausführlichen Artikel inklusive Übungen speziell für Patienten mit Polyneuropathie finden Sie hier: Krafttraining bei Polyneuropathie.
Krafttraining mit großen Widerständen, das heißt bei Übungen, von denen man höchstens 10 Wiederholungen schafft, hat aber einen weiteren wichtigen Effekt: Es stärkt die Knochen. Die Knochen werden dichter und fester und brechen in der Folge nicht so leicht. Wer Krafttraining betreibt hat also ein niedrigeres Risiko von Knochenbrüchen falls er doch stürzen sollte.
Außerdem gelten die folgenden Vorsichtsmaßnahmen vor Stürzen beim Walking oder Joggen:
- Trainieren Sie bei guten Lichtverhältnissen
- Stabilisieren Sie sich, wenn nötig, mit einem Hilfsmittel wie Stöcken oder Rollatoren.
- Nutzen Sie breite, ebene Wege, möglichst mit weichem Untergrund.
Beim Radfahren können die folgenden Maßnahmen hilfreich sein um Stürze und Verletzungen zu verhindern:
- Stellen Sie den Sattel relativ niedrig ein, da dann das Auf- und Absteigen leichter fällt und man beim Anhalten schneller einen Fuß auf dem Boden hat.
- Nutzen Sie, wenn Sie die Wahl haben, ein Damenrad, da dann das Auf- und Absteigen leichter fällt.
- Tragen Sie unbedingt einen Helm und Handschuhe.
Noch mehr Informationen zur Verletzungsprävention finden Sie hier: Sport und Polyneuropathie
Wann man nicht trainieren sollte
Es gibt medizinische Gründe dafür, den Ausdauersport ausfallen zu lassen oder zuerst mit Ärzten oder Therapeuten abzuklären, ob man trainieren kann. Diese sind insbesondere:
- Frische Verletzungen oder Operationen
- Ungewöhnliche Kreislaufbeschwerden, Kopfschmerzen oder Schwindel
- Infektionskrankheiten, auch Erkältungen
Falls Sie Chemotherapie erhalten gilt zusätzlich:
- Bei Thrombozyten unter 20 000 nur Sport ohne Sturzgefahr, z.B. Fahrrad-Hometrainer oder Rudergeräte
- Bei Thrombozyten unter 10 000 oder Hämoglobin unter 8g/dl kein Training
- Am Tag der Chemotherapie und in den ersten 24 Stunden nach der Chemotherapie kein Ausdauertraining! Beim Ausdauertraining wird in bestimmten Organen (Herz, Lunge, Muskeln) der Stoffwechsel und die Durchblutung verstärkt. Wenn man Chemotherapie erhält und gleichzeitig trainiert gelangt der Wirkstoff deshalb dorthin und kann negative Nebenwirkungen verursachen. Warten Sie deshalb vor dem Training 24 Stunden ab.
Anleitung zur Bewegungstherapie als Buch
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