Wie man Bänderrisse am Knie und Sprunggelenk heilt

Vor wenigen Tagen stürzte ich beim Skifahren. Die Folge war ein angerissenes Kreuz- und Innenband am Knie. Natürlich möchte ich so schnell wie möglich wieder fit und aktiv sein und beschäftige mich deshalb intensiv damit, welche Möglichkeiten dazu bestehen. In Gesprächen im Bekanntenkreis und selbst mit Ärzten habe ich festgestellt, dass immer noch sehr viele veraltete Methoden angewandt werden und kaum bekannt ist, welche hervorragenden Methoden es gibt, die die Heilung fördern und Stabilität, Kraft, Beweglichkeit und Schmerzfreiheit wiederherstellen.

Diese Methoden finden Sie in diesem Artikel. Sie erfahren überraschende neue Erkenntnisse zur ersten Hilfe, wie sinnvoll Schmerzmittel sind und wie Sie selbst mit einer einfachen Behandlungsmethode die Schmerzen schnell reduzieren können. Außerdem bespreche ich, mit welchen Methoden Sie die Heilung der Bänder positiv beeinflussen, wie Sie Ihre Muskelkraft erhalten und wie Sie wieder in den Sport einsteigen können ohne sich erneut zu verletzen.

In der folgenden Tabelle finden Sie eine Zusammenfassung aller Maßnahmen nach einer Verletzung eines Bands an Sprunggelenk und Knie, die in diesem Artikel ausführlich erklärt werden:

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Kühlen hilft nicht

Sobald man sich verletzt, wird einem Kühlung in Form von Kühlakkus, Kältespray oder kaltem Wasser angeboten. Seit den 70er Jahren wurde propagiert, man müsse eine frische Verletzung unbedingt kühlen. Das geschah aber ohne jede wissenschaftliche Grundlage, sondern war eine reine Vermutung. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass Kühlung keine positive Wirkung auf den späteren Heilungsprozess hat und möglicherweise schädlich ist (ACHTUNG! Ich spreche hier nur von verletzten Bändern, bei anderen Verletzungen, zum Beispiel Verbrennungen, sollten Sie unbedingt kühlen!). Es wird inzwischen sogar angenommen, dass Kühlen den Heilungsprozess verletzter Bänder verzögert. Wenn Sie von dieser Aussage verblüfft sind, lesen Sie bitte weiter, sie ist tatsächlich der aktuelle Stand der Wissenschaft.

Wieso kann Kühlen bei einem verletzten Band nicht helfen oder sogar schaden? Das Kühlen hat nach einer Verletzung einige Wirkungen im gekühlten Bereich:

Die Durchblutung wird durch die Kälte weniger, man hoffte früher, dadurch die Schwellung zu verringern, was angeblich positiv sein sollte. Allerdings bremst das auch die Reaktion des Körpers auf die Verletzung. Mit dem Blut werden zum Beispiel Thrombozyten (Blutplättchen) in den verletzten Bereich gespült. Diese stillen einerseits die Blutung, produzieren aber auch direkt ein Hormon, das den übrigen Zellen ein Signal für die Heilung des Bands gibt (Platelet derived growth factor, PDGF). Die Kälte bremst also das erste Signal zur Heilung. Außerdem werden über das Blut weitere Zellen in den verletzten Bereich gespült, die an der Heilung mitwirken und gleichzeitig Abfallstoffe abtransportieren. Wenn Sie also kühlen, dann bremsen Sie den Beginn des Heilungsprozesses aus. Eine wissenschaftliche Übersichtsarbeit dazu finden Sie hier: Scialoia & Swartzendruber 2020.

Außerdem ist Kälte entzündungshemmend. Als Folge einer Verletzung bildet sich immer eine Entzündung. Diese verstärkt die Schmerzen. Deshalb nahm man lange Zeit an, es sei sinnvoll die Verletzung zu kühlen, um die Entzündung abzuschwächen. Allerdings ist inzwischen bekannt, dass die Entzündung ein Teil des gesunden Heilungsprozesses ist. Ohne Entzündung gibt es keine Heilung des Gewebes. Wenn Sie durch die Kälte die Entzündung hemmen, bremsen Sie also auch den Heilungsprozess aus. Diesen Zusammenhang können Sie hier nachlesen: Wang & Ni 2021.

Das Kühlen von frisch verletzten Bändern hat also mindestens keine positive Wirkung und kann die Heilung sogar potentiell verzögern. Weitere Studien dazu können Sie hier nachlesen: Singh et al. 2017 , Vuurberg et al. 2018.

Auch mir wurde nach meiner Knieverletzung ein Kühlakku angeboten. Dass ich ihn nicht verwenden wollte war sehr überraschend für die freundliche Ersthelferin. Sollte ich bei der Ersten Hilfe von einem Verletzten um Eis oder Kühlakkus gebeten werden, werde ich diese übrigens auch in Zukunft gerne organisieren anstatt einen Vortrag über Sinn und Unsinn von Kälteanwendung zu halten. Denn mindestens genauso wichtig wie die exakt richtige Behandlung ist, dass sich der Patient gut umsorgt und ernstgenommen fühlt. Außerdem reduziert die Kälte tatsächlich die Schmerzen. Wenn man also starke Schmerzen und keine Schmerzmittel zur Verfügung hat, kann es durchaus sinnvoll sein zu kühlen.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass ich hier lediglich von Verletzungen der Bänder an Sprunggelenk und Knie spreche. Es kann durchaus Situationen geben, in denen Kühlung sinnvoll ist. Für verdrehte Knie und Sprunggelenke ist das allerdings nicht der Fall.

 

Wärme hilft heilen

Wenn Kälte nicht hilft, hilft dann Wärme? Es spricht tatsächlich einiges dafür, dass gezielte Anwendung von Wärme bei der Heilung von Verletzungen helfen kann. Wärme kann dabei lokal auf die verletzte Struktur angewandt werden, indem zum Beispiel eine Wärmflasche auf die Verletzung gelegt wird. Alternativ kann man auch den ganzen Körper erwärmen indem man in die Sauna geht oder heiß badet. Die Effekte davon sind allerdings etwas unterschiedlich.

1. Lokale Wärme

Wenn Sie ein bestimmtes Körperteil erwärmen, dann fließt mehr Blut dorthin. Bezogen auf Verletzungen kann das bewirken, dass mehr Nährstoffe und Zellen dorthin gelangen, die bei der Heilung helfen und gleichzeitig kann es dafür sorgen, dass Dinge abtransportiert werden, die nicht mehr benötigt werden. Es wird deshalb vermutet, dass die lokale Erwärmung eines verletzten Bereichs zu einer schnelleren Heilung führt. Dazu braucht es wie gesagt nicht mehr als eine Wärmflasche oder ein Wärmekissen.

In Tierversuchen wurde beobachtet, dass sich dadurch die Regeneration von Muskeln beschleunigte. El-Sheikh et al. 2022 legten direkt nach einer Muskelverletzung eine 40°C warme Wärmflasche für 20 Minuten auf die verletzte Stelle. Im Vergleich mit Muskeln, bei denen keine Wärme angewandt wurde kam es zu einer wesentlich schnelleren Heilung. Eine solche Studie bei Menschen durchzuführen wäre sehr aufwendig und liegt bisher nicht vor. Allerdings gibt es Studien die zeigen, dass Menschen sich nach Muskelüberlastungen schneller erholen, wenn die Muskeln in der Erholungsphase erwärmt werden. Eine Übersichtsarbeit dazu finden Sie hier: Kim et al. 2020

Eine andere Methode der Wärmeanwendung ist Infrarotlicht. Dabei wird die Wärme durch die Infrarotstrahlung einer Speziallampe direkt auf die verletzte Stelle angewandt. Es gibt Berichte über eine beschleunigte Heilung nach Operationen von Sehnen, wenn das Infrarotlicht in der Regenerationsphase angewandt wurde (Yoon et al. 2020).

Man muss allerdings bedenken, dass bei den beschriebenen Studien die Regeneration von Muskeln und Sehnen beobachtet wurde, nicht von Bändern. Studien zur Wirkung von Wärmeanwendungen auf die Heilung von Verletzungen der Bänder sind mir bisher nicht bekannt. Für mich persönlich reichen die vorhandenen Hinweise aber dafür aus, die Wärme anzuwenden, zumindest an mir selbst - denn es ist nicht mit negativen Nebenwirkungen zu rechnen. Mein aktuell verletztes Knie erwärme ich deshalb mehrmals täglich mit einem Wärmekissen oder einer Wärmflasche, die in etwa 40°C warm sind. Meine Empfehlung wäre allerdings, zumindest in den ersten 24 Stunden nach der Verletzung noch keine Wärme anzuwenden und den natürlichen Heilungsprozess einfach beginnen zu lassen.

2. Sauna oder heiße Bäder

Wenn man die Wärme auf den ganzen Körper anwendet, hat das noch ganz andere Wirkungen als wenn nur die betroffene Stelle erwärmt wird. Der Körper reagiert auf die Hitze, indem er Hormone freisetzt, die auch Heilungsprozesse unterstützen. Insbesondere das Wachstumshormon Somatotropin steigt extrem stark an wenn man sich ausgiebig der Hitze aussetzt. Dieses Hormon, dessen englischer Name Growth Hormone ist, regt im Körper das Wachstum an.  Auch das Wachstum von Bändern. Deshalb wird vermutet, dass ein hoher Spiegel an Somatotropin auch die Heilung von verletzten Bändern verbessern kann (Übersichtsarbeiten dazu finden Sie: Molloy et al. 2003, Rodriguez-Merchan 2021). Wenn man sehr ausgiebig sauniert können die Werte des Somatotropins sich vervielfachen. Leppäluoto et al. 1986 beobachteten einen Anstieg des Hormons um das 16fache, nachdem ihre Probanden an drei Tagen nacheinander in die Sauna gingen. Allerdings muss man dazu wirklich lange und intensiv saunieren. In der genannten Studie wurde bei 80°C zweimal 30 Minuten sauniert, mit nur 5 Minuten Pause dazwischen. Und das zweimal täglich. Das ist körperlich sehr sehr anstrengend und sicher nicht für jeden möglich bzw. unter Umständen gefährlich. Deshalb sollte man das Saunieren auf ein gesundes Maß beschränken. Sollte Schwindel oder Unwohlsein auftreten, sollten Sie die Sauna sofort verlassen, außerdem sollten Sie nur so lange saunieren, wenn Sie sich sicher sind, dass Ihr Herzkreislaufsystem gesund ist.

Da ich selbst keine Sauna besitze, legte ich mich in den Tagen nach der Verletzung in die Badewanne. Die Temperatur hielt ich für 30 Minuten zwischen 38,5°C und 40°C. Darauf folgte 5 Minuten Pause und erneut 30 Minuten bei der gleichen Temperatur. Dabei stieg mein Puls auf etwa 120 und ich empfand es als sehr anstrengend, die volle Zeit in der Hitze zu bleiben. Ein gewisser Anstrengungsgrad ist auch notwendig, um den Körper zu einer starken Reaktion anzuregen.

Für mich war diese Temperatur also angemessen, das heißt aber nicht, dass sie für jeden die richtige ist. Es gibt Menschen, die sehr viel mehr oder sehr viel weniger Hitze aushalten. Eine allgemeingültige Empfehlung kann ich deshalb nicht geben. Die Temperatur sollte so hoch sein, dass Sie sie als belastend empfinden, aber noch kein Schwindel oder Übelkeit auftritt. Achten Sie aber darauf, dass solche langen Phasen in der Hitze körperlich sehr anstrengend und nur zu empfehlen sind, wenn Ihr Herzkreislaufsystem komplett gesund ist. Brechen Sie den Aufenthalt in der Hitze ab, wenn Schwindelgefühle oder Übelkeit auftreten.

 

Manche Schmerzmittel bremsen die Heilung aus 

Bei Schmerzmitteln gibt es eine endlose Diskussion darüber, ob man sie einnehmen sollte oder nicht. Die Diskussion erinnert oft an eine Glaubensfrage. Meine persönliche Antwort in Bezug auf Bandverletzungen ist, dass es darauf ankommt um welche Schmerzmittel es sich handelt und wie stark die Schmerzen sind.

Wie ich schon erwähnt habe geht jeder Heilungsprozess bei Verletzungen mit einer Entzündung einher. Die Entzündung ist natürlich und notwendig für die Heilung. Sie sollte deshalb ungestört ablaufen können. Die meisten üblichen Schmerzmittel sind allerdings nicht nur reine Schmerzmittel, sondern hemmen  auch Entzündungen. Eine veraltete Lehrmeinung war, dass die Entzündung grundsätzlich unterdrückt werden sollte. Deshalb war es lange Standard, nach Bandverletzungen entzündungshemmende Schmerzmittel zu verschreiben, die auch dann eingenommen werden sollten, wenn keine großen Schmerzen vorhanden waren. Es hat sich aber herausgestellt, dass dadurch der Heilungsprozess negativ beeinflußt wird (eine wissenschafltliche Arbeit aus dem British Medical Journal dazu finden Sie hier: Dubois & Esculier 2019).

Wenn man allerdings sehr starke Schmerzen hat, wird man kaum auf Schmerztabletten verzichten wollen. Man sollte dann auf Schmerzmittel zurückgreifen, die nur den Schmerz unterdrücken, nicht aber die Entzündung.

Ein Schmerzmittel, das die Entzündung nicht hemmt wäre z.B. Paracetamol. Es kann also bei Bandverletzungen problemlos eingenommen werden.

Entzündungshemmende Schmerzmittel, die vermieden werden sollten sind unter anderem Ibuprofen, Aspirin und Diclofenac.

Natürlich sollten Sie über die Medikamente aber mit Ihrem Arzt oder Apotheker sprechen.

Massage kann die Schmerzen sehr schnell reduzieren

Eine weitere Methode, um die Schmerzen zu reduzieren, ist die Massage der Muskeln. Was häufig nicht bekannt ist, ist dass bei einer Verletzung der Bänder an einem Gelenk fast immer auch die Muskeln überlastet werden und in der Folge verkrampfen und so die Schmerzen verschlimmern.

Wenn Ihre Gelenke in eine gefährliche Position gelangen, dann versuchen Ihre Muskeln reflexartig, das betroffene Gelenk zu stabilisieren. Sie versuchen also, mit aller Kraft die Verletzung zu verhindern und spannen sich maximal an. Durch die Verdrehung des Gelenks kommt es aber zu einem starken Zug an den Muskeln. Die Muskeln verkrampfen sich deshalb oft nach einer Verletzung. Dies kann die Schmerzen nach der Verletzung wesentlich verstärken, denn verkrampfte Muskeln können gewaltige Schmerzen verursachen.

 

Die Schmerzen nach einer Bandverletzung stammen also oft nicht nur aus dem verletzten Band, sondern sehr häufig handelt es sich um eine Kombination aus Schmerzen des verletzten Bandes und der verkrampften Muskeln. Ich habe selbst nach Verletzungen meines eigenen Sprunggelenks, aber auch bei zahlreichen Patienten erlebt, dass die Schmerzen durch eine Behandlung der Muskulatur besser wurden oder sogar komplett verschwanden.

Muskelaktivität beim Umknicken des Sprunggelenks
In dieser Abbildung sehen Sie die Muskelaktivität (EMG) der Muskeln des Unterschenkels während der Simulation einer Sprunggelenkverletzung. Dabei steht man auf einer Holzplatte, die vom Versuchsleiter weggeklappt werden kann, sodass sich der Fuß bewegt als ob das Sprunggelenk umknicken würde. Wie Sie sehen kommt es unmittelbar nach dem Umknicken zu einer starken Aktivität der Muskeln. Bei tatsächlichen Verletzungen ist die Aktivierung so stark, dass die Muskeln sich verkrampfen und starke Schmerzen verursachen können. Die Messung erfolgte an meinem eigenen Bein bei einem Versuch in der Universität Stuttgart.

Um die Schmerzen zu reduzieren ist es deshalb hilfreich, die betroffenen Muskeln zu entspannen, am besten gelingt das durch Massage. Wenn man weiß, wo man "hindrücken" muss, kann das eine sehr schnelle Verbesserung der Schmerzen bringen. Es ist wichtig zu wissen, dass man nicht unbedingt die Stellen massieren sollte, an denen man tatsächlich Schmerzen hat. Selbstverständlich sollten Sie ein Gelenk oder ein Band, das direkt nach einer Verletzung wehtut in Ruhe lassen. Die Muskeln, die häufig ein gutes Stück von der eigentlichen Verletzung entfernt liegen, können Sie aber völlig gefahrlos massieren.

Bei Schmerzen am Außenknöchel nach Sprunggelenkverletzungen ist es oft hilfreich, den M. Peroneus zu massieren. In der Abbildung unten sehen  mit schwarzen Kreuzen markiert die Stellen an denen sich häufig kleine Muskelverkrampfungen bilden (sogenannte Triggerpunkte). Die rot markierten Bereiche sind die Stellen, an denen man Schmerzen empfindet, die von diesen Krämpfen ausgelöst werden. Wenn Sie also die mit Kreuzen markierten Stellen massieren haben Sie gute Chancen auf eine Verbesserung der Schmerzen. Wie Sie sehen ist liegen diese Stellen weit entfernt voneinander entfernt,  sodass Sie sie auch bei einer akuten Verletzung problemlos massieren können.

Weitere Muskeln, deren Massage nach Verletzungen sehr häufig sinnvoll ist, sind bei Schmerzen am Innenknöchel der M. Soleus und M. Gastrocnemius sowie nach Kreuzbandverletzungen der M. Popliteus und nach Innenbandverletzungen am Knie der M. Vastus Medialis.

Mehr zur Massage bei Schmerzen der Füße und Unterschenkel finden Sie in meinem Buch "Fußschmerzen selbst behandeln".

Massage des M. Peroneus kann die Schmerzen nach Sprunggelenkverletzungen reduzieren

Ruhigstellen nur ganz kurz

Unmittelbar nach der Verletzung sollte das entsprechende Gelenk geschützt werden. Dazu kann es nötig sein, die Beweglichkeit des Gelenks einzuschränken um zu verhindern, dass es sich erneut in eine Position bewegt in der an den verletzten Bändern gezogen wird. Dies sollte allerdings für allerhöchstens 10 Tage erfolgen. In den meisten Fällen reichen allerdings 1-3 Tage aus (mehr dazu hier: Petersen et al. 2013). Außerdem sollte die Beweglichkeit nur in die Richtungen eingeschränkt werden, in denen die Gefahr für eine Belastung des verletzten Bands besteht. Eine vollständige Ruhigstellung ist selten notwendig.

Das Ziel der Ruhigstellung ist nicht, die Heilung zu fördern. Bandagen, Schienen, Tapeverbände und ähnliches können lediglich verhindern, dass das Gelenk noch einmal in eine gefährliche Position gelangt und dass es noch einmal zu einer Verletzung des Gelenks kommt. Sie beschleunigen die Heilung nicht und sind für sie auch nicht notwendig. Sie verhindern lediglich, dass man sich erneut verletzt.

 

Am Sprunggelenk sind Schienen und Bandagen sinnvoll

An einem verletzten Sprunggelenk eine Bandage zu tragen ist besonders hilfreich, um eine erneute Verletzung zu verhindern. Beim Wiedereinstieg in den Sport verringert sich die Wahrscheinlichkeit für erneutes Umknicken um mehr als die Hälfte (Eine Übersichtsarbeit dazu finden Sie hier: Barelts et al. 2018). Allerdings ist es nicht notwendig, die Schiene oder Bandage ununterbrochen zu tragen. In Situationen in denen keine Verletzungsgefahr besteht ist es auch nicht notwendig, das Gelenk zu schützen. Bei Nacht oder wenn Sie auf dem Sofa sitzen müssen Sie sie also auch nicht tragen.

 

Schienen und Bandagen am Knie nur bei gefährlichem Sport

An vielen Stellen hört man, dass man unbedingt Schienen tragen sollte nachdem man sich das Knie verdreht hat. Es klingt auch logisch und fühlt sich vielleicht auch sicherer, eine Schiene zu tragen. Allerdings ist das bezüglich es Knies nicht ganz so eindeutig wenn man die wissenschaftlichen Daten betrachtet.

Im Alltag eine Schiene zu tragen ist selbst unmittelbar nach einer Operation des Kreuzbands nicht notwendig. Auch bei "normalem" Sport, also Sportarten, bei denen kein erhöhtes Risiko für Kreuzbandverletzungen besteht, bringt das Tragen einer Schiene keinen Vorteil. Mayr et al. (2014) beobachteten in Ihrer Studie zum Beispiel, dass es keine Vorteile bringt, nach einer Kreuzband-OP eine Schiene zu tragen. 4 Jahre nach der Operation hatten die Patienten, die keine Schiene getragen hatte sogar weniger Schmerzen als die Patienten die eine Schiene trugen. Marois et al. (2021) untersuchten, ob das Tragen einer Schiene eine erneute Verletzung des vorderen Kreuzbands nach einer überstandenen Operation des vorderen Kreuzbands reduziert. Dazu analysierten sie eine Vielzahl an vorliegenden Studien. Ihr Ergbnis ist: "Die aktuellen Daten belegen nicht, dass der Gebrauch einer Knieschiene bei der Rückkehr zum Sport die Gefahr einer erneuten Verletzung reduziert."

Dies gilt allerdings nicht bei Hochrisikosportarten wie Skifahren. Hier kann eine Kniebandage tatsächlich die Gefahr einer erneuten Verletzung wesentlich reduzieren. In mehreren Studien wurde beobachtet, dass die Gefahr einer erneuten Verletzung des Knies bei Skifahrern wesentlich geringer ist, wenn man eine Schiene trägt (Eine sehr gute Übersichtsarbeit finden Sie hier: Bodendorfer et al. 2013).

Das Fazit ist also: Im Alltag oder bei ungefährlichem Sport wie Fitnesstraining, Radfahren oder selbst Joggen ist es nicht nötig, eine Schiene am Knie zu tragen. Wenn man allerdings Sport mit erhöhtem Risiko einer Knieverletzung, insbesondere Skifahren, ausüben möchte sollte man eine Schiene oder Bandage tragen.

Zunächst muss man aber eine entsprechende Schiene oder Bandage besitzen. Wenn man keine zur Verfügung hat ist es sinnvoll, einen Tapeverband anzulegen.

Meine eigene Knieverletzung erfolgt in der Schweiz an einem Feiertag. Ich konnte also in keinen Laden gehen um mir eine Bandage zu kaufen. Ich legte deshalb einen sehr strammen Tapeverband an der verhinderte, dass das Bein sich verdrehen konnte. Diesen trug ich für drei Tage. Danach legte ich einen sehr leichten Verband mit elastischem Kinesiotape an, der die Beweglichkeit kaum einschränkt. Ich achtete allerdings darauf, keine Bewegungen zu machen, bei denen die Gefahr einer Verdrehung oder eines Sturzes besteht. Nach fünf Tagen trug ich keine Bandagen oder Verbände mehr. Wenn ich in vier bis sechs Wochen wieder mit dem Skifahren beginne, werde ich aber eine Schiene oder Bandage tragen, um eine erneute Verletzung zu verhindern.

 

Bewegung bringt Sie auf die Beine

Wie wir gesehen haben, ist Ruhigstellung nur für ganz kurze Zeit sinnvoll. Spätestens 3 Tage nach der Verletzung sollte man damit beginnen, das verletzte Gelenk zu bewegen. Welche und wieviel Bewegung möglich ist, merkt man an den Schmerzen. Bewegungen, die schmerzfrei möglich sind, sollte man ausgiebig durchführen. Schmerzt eine Bewegung allerdings sollte man sie vorerst noch lassen. Ihr Körper teilt Ihnen durch den Schmerz mit, wenn etwas zu viel für ihn wird.

Wenn Sie sich bewegen, unterstützt das direkt den Heilungsprozess. Denn die Zellen Ihres Körpers nehmen wahr, dass sie bewegt werden. Die Druck- und Zugkräfte, die bei der Bewegung auf das Gewebe wirken haben zur Folge, dass Wachstumsfaktoren ausgeschüttet werden, die das Signal zum Wachstum setzen (eine Meataanalyse dazu können finden Sie hier: Jiang et al. (2020)). Es wird darüber hinaus vermutet, dass etwas Zug in die richtige Richtung nötig ist, um den Bänder zu sagen, in welche Richtung sie wachsen sollen. Wenn keine Bewegung stattfindet, wachsen die Fasern unter Umständen kreuz und quer und nicht so wie sie sollten, was manchmal als "Verklebung" bezeichnet wird. Bewegung ist also eine Voraussetzung dafür, dass die Heilung stattfindet. Mehr dazu können Sie in diesem Artikel aus dem British Medical Journal nachlesen: Khan und Scott (2009)
Wird das Gelenk nicht bewegt, steigt außerdem die Gefahr für eine dauerhaft verschlechterte Beweglichkeit. Wenn Sie ein Gelenk nach einer Verletzung wochenlang nicht bewegen, dann schrumpft vereinfacht gesprochen das Bindegewebe um das Gelenk herum zusammen. Das heißt, wenn zum Beispiel ein Knie nach einer Kreuzbandverletzung in der gestreckten Position ruhiggestellt wird, dann kann es danach häufig nicht mehr gebeugt werden, zumindest nicht so gut wie vorher. Ein solches Defizit wieder zu normalisieren kann sehr lange dauern und gelingt häufig gar nicht mehr.

Um das Gelenk nach einer Verletzung wieder zu bewegen ist es deshalb sinnvoll, so früh wie möglich leichte Bewegungen durchzuführen. Als einfachste Variante wäre es möglich, sich auf einen Tisch zu setzen, sodass das betroffene Bein kein Gewicht tragen muss und dann das Bein einfach pendeln zu lassen. Dabei sollte man sich jeweils so weit in alle Richtungen bewegen wie es schmerzfrei möglich ist.

Sobald Sie es schmerzfrei schaffen, sollten Sie auch wieder versuchen normal zu gehen, also nicht an Krücken. Ich selbst begann drei Tage nach der Verletzung mit kurzen Spaziergängen ohne Krücke oder Bandage. Dabei merkte ich, wie während des Gehens eine konstante Verbesserung stattfand.

Falls Sie Zugang zu Fitnessgeräten haben sind Rudergeräte und Fahhradergometer sehr zu empfehlen. Dabei kommen nur Bewegungen in gerader Richtung und damit keine Verdrehungen in "falsche" Richtungen vor. Am Rudergerät können Sie außerdem selbst entscheiden, wie weit Sie Ihre Beine beugen und es nur im schmerzfreien Bewegungsausmaß bewegen. Für Fahrradergometer gibt es spezielle Pedale, bei denen man die Länge der Kurbel einstellen kann. Dadurch können Sie die Beugung des Knies reduzieren und an Ihr schmerzfreies Bewegungsausmaß anpassen.

Für mich selbst begann die Bewegungstherapie direkt nach dem Skiunfall. Ich war allein auf der Piste und hatte ca. 800 Höhenmeter schwarze Piste bis zum Sessellift vor mir. Diese Strecke in Skistiefeln zu Fuß zu gehen war unmöglich. Wegen einem verdrehten Bein die Bergwacht zu rufen schien mir übertrieben. Nachdem ich das Bein soweit möglich untersucht und festgestellt hatte, dass kein extrem schwerer Schaden vorlag, entschied ich mich also für die Abfahrt auf Ski. Mir blieb ja auch nichts anderes übrig. 20 min nach dem Unfall fuhr ich also den Berg vollends herunter. Die Abfahrt gelang auch überraschend gut und ich glaube nicht, dass dadurch eine Verschlimmerung eingetreten ist. Es war auch hilfreich, dass ich häufig übe, einbeinig Ski zu fahren.

Das erzähle ich nicht, um zu beschreiben was für ein harter Mann ich bin. Man sieht an dieser Geschichte aber, dass man auch nach einer Verletzung mehr leisten kann als man gemeinhin vermutet. Die menschliche Evolution hat uns fit genug gemacht, um auch verletzt "weitermachen" zu können. Denn in der Entwicklungsgeschichte des Menschen war es meist unmöglich, lange Phasen der Ruhigstellung zu gewährleisten. Wir sind also biologisch darauf vorbereitet, schnell wieder aktiv zu sein. Man sollte deshalb nicht allzu ängstlich sein was die Bewegung nach einer Verletzung angeht.

 

 

Krafttraining so früh wie möglich

Eine wesentliche Gefahr nach einer Verletzung ist, dass die Muskeln abgebaut werden und man weniger leistungsfähig und in der Folge wieder anfälliger für erneute Verletzungen wird.

In einer Studie von Wall et al. (2013) wurde gesunden Probanden eine Schiene angelegt und das Kniegelenk ruhiggestellt. Schon nach 5 Tagen wurde ein Kraftverlust von durchschnittlich 9% festgestellt. Nach zwei Wochen waren es schon 22%. Um einen solchen Kraftverlust auszugleichen müsste man monatelang trainieren. Man sollte den Abbau also möglichst von vornherein verhindern! Die beste Methode dazu ist, sehr früh mit dem Krafttraining zu beginnen.

Auch dabei gilt, dass man alles machen darf was man ohne Schmerzen machen kann. Dies gilt sowohl für die Bewegungen, die man ausführen darf als auch für das Gewicht und die Wiederholungszahlen, die man verwendet. Mit meiner aktuellen Knieverletzung habe ich nach zwei Tagen damit begonnen, Kniebeugen ohne Zusatzgewicht und Kreuzheben mit einem sehr leichten Gewicht zu absolvieren. Solche leichten Übungen sind in aller Regel sehr früh möglich.

Es gibt aber eine noch elegantere Möglichkeit um die Kraft zu erhalten.

 

Ein ganz spezielles Training um die Muskeln zu erhalten

Eine Methode, um direkt nach der Verletzung wieder in das Krafttraining einzusteigen ist das sogenannte Blutflußrestriktionstraining (BFR-Training). Hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt sich ein Training, das es Ihnen erlaubt, mit ganz geringen Lasten zu trainieren und dennoch die Trainingseffekte eines schweren Krafttrainings zu erzielen. Damit ist es die beste Methode, um nach einer Verletzung wieder mit dem Training zu beginnen.

Beim BFR-Training wird eine Manschette um die Beine gelegt, die der Manschette zum Blutdruckmessen ähnelt. Sie ist aufblasbar und erzeugt Druck auf das Bein. Durch den Druck wird der Blutfluss etwas eingeschränkt. Dadurch erhalten die im Bein arbeitenden Muskeln weniger Blut und deshalb weniger Sauerstoff und Nährstoffe als sie verbrauchen - also genau wie bei hochintensivem Training. Wenn Sie nun sehr leichte Übungen absolvieren, gerät der Muskel in die gleiche Situation wie wenn Sie sehr intensiv trainieren. Deshalb entsteht auch der gleiche Trainingseffekt.

BFR-Manschette

Mit dieser Methode wird deshalb sogar ganz normales Gehen zum Krafttraining. Japanische Wissenschaftler ließen ihre jungen, gesunden Probanden BFR-Manschetten anlegen und dann zweimal täglich für 10 Minuten bei 3 km/h(!) auf einem Laufband gehen. Das reichte bereits aus, um nach drei Wochen eine Kraftsteigerung von 10% zu erreichen (Den Artikel können Sie hier nachlesen: Takashi et al. 2005). Wenn Sie BFR-Manschetten besitzen, können Sie also mit dem Krafttraining anfangen, sobald Sie wieder gehen können.

Sobald Sie wieder leichte Kraftübungen absolvieren können, werden auch diese mit den BFR-Manschetten zu einem hochintensiven Krafttraining.

Wenn Sie mehr zum Thema wissen möchten, empfehle ich Ihnen meinen Artikel "Krafttraining trotz Verletzungen"

Ich selbst verwende zum Training die Occlusion Cuff Pro, die ich für das aktuell beste Modell halte. Diese können Sie für Ihr eigenes Training in meinem Online Shop bestellen. Gerne berate ich Sie auch dazu wie genau die Manschetten anzuwenden sind.

 

Gleichgewicht und Schnellkraft verhindern erneute Verletzungen

Wenn man nach der Verletzung wieder in den Sport einsteigen möchte ist die größte Sorge, sich erneut zu verletzen. Wenn ein Gelenk einmal verletzt, ist wiederholt sich häufig genau die gleiche Verletzung erneut. Viele Sportler kennen das von ihren Sprunggelenken, die immer wieder umknicken. Es gibt allerdings sehr effektive Trainingsmethoden, die die Gefahr erneuter Verletzungen wesentlich verringern.

Die erste Trainingsmethode ist Gleichgewichtstraining, auch propriozeptives oder sensomotorisches Training genannt. Man trainiert dabei, wie genau man die Lage des eigenen Körpers und aller seiner Gelenk wahrnehmen und steuern kann. Denn Verletzungen der Sprunggelenke und Knie entstehen sehr häufig durch ein falsches Aufsetzen des Beins oder eine falsche Bewegung. Wenn man den Körper sehr gut unter Kontrolle hat, hält man seine Gelenke stehts in einer Stellung, in der man das Knie nicht verdreht oder mit dem Sprunggelenk nicht umknickt.

 

In Untersuchungen mit Sportlern, die Verletzungen am Sprunggelenk erlitten hatten wurde festgestellt, dass sie sich sehr viel seltener erneut verletzten, wenn sie ihr Gleichgewicht trainierten.

Der Effekt ist für das Sprunggelenk in etwa gleich groß, wie wenn man eine Schiene tragen würde.

Einen ausführlichen Artikel dazu wie Sie Sprunggelenkverletzungen verhindern finden Sie hier: Nie mehr umknicken

Doch auch am Knie zeigt sich eine deutliche Wirkung von Gleichgewichtstraining. Speziell für Verletzungen des vorderen Kreuzbands wurde eine Verringerung der Anzahl an Verletzungen um etwa die Hälfte beobachtet, wenn Gleichgewichtstraining durchgeführt wurde. Eine wissenschaftliche Übersichtsarbeit dazu finden Sie hier: (Dargo et al. 2017).

Balance Training verringert die gefahr für erneutes Umknicken

Die zweite Methode, um die Verletzungsgefahr zu reduzieren ist Schnellkrafttraining, auch Plyometrisches Training genannt. Dabei werden sehr schnelle Bewegungen und häufig auch Sprünge in unterschiedliche Richtungen trainiert. Wichtig ist dabei, eine Vielzahl an Bewegungen zu trainieren, um die Koordination möglichst zu verbessern, sodass die neue Schnellkraft auch in ungewohnten Situationen angewandt werden kann. Laut einer Metaanalyse im Journal of Physiotherapy, also einer Studie in der der aktuelle Forschungsstand analysiert wurde, reduziert sich die Gefahr für Verletzungen des Kreuzbands durch Plyometrisches Training um 60%. (Den Artikel können Sie hier selbst nachlesen: Al Attar et al. (2022)

Ich selbst begann am dritten Tag nach meinem Skiunfall mit Gleichgewichtstraining. Dabei sollte man sich wie bei allem anderen Training nach Verletzungen auch davon leiten lassen, was schmerzfrei möglich ist und sicher gehen, dass keine Sturzgefahr oder die Gefahr eines erneuten Verdrehen des Beins während des Trainings besteht. Beispielsweise ist es sehr sinnvoll, immer eine Möglichkeit zum Festhalten zu haben. Außerdem kann man mit sehr leichten Übungen anfangen, zum Beispiel einfach nur auf einem Bein zu stehen. Später kann man dabei die Augen schließen oder sich auf einen wackeligen Untergrund, zum Beispiel ein Schaumstoffkissen stellen.

Ab dem 13. Tag nach der Verletzung konnte ich, was Schmerz und Beweglichkeit anging auch wieder mit leichtem Schnellkrafttraining anfangen.

Christian Bitzer

M.A. Sportwissenschaft
Sporttherapeut für innere Medizin und Orthopädie

Email: Bitzer.Sporttherapie@gmail.com